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„Chinesen” im Mittleren Osten

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Der Macht- und Ideologiekampf zwischen den russischen und chinesischen Kommunisten findet zur Zeit auch im Mittiefen Osten seinen Niederschlag. Die Diskussion im Mittleren Osten begann bereits, als Peking vor einigen Monaten die Sowjetunion beschuldigte, antikommunistische Staaten wirtschaftlich mehr Unterstützung angedeihen zu lassen als ihren kommunistischen Verbündeten, das heißt China selbst. Der Zorn Pekings wurde insbesondere er tionslagern auch heute noch tausende Mitglieder der dort illegalen kommunistischen Partei schmachten, mehr russische Unterstützung erhält als das rote China mit seinen 600 Millionen Einwohnern.

Als vor einigen Wochen die Sowjetunion nach monatelangem Zögern beschlossen hatte, die aufständischen Kurden gegen die irakische Regierung zu unterstützen, schien es fast, als ob die arr’u sehen Kommunisten des Mittleren Ostens aufatmen würden. Aber Rußland unternahm nichts gegen das Blutbad, das das neue irakische Regime den Kommunisten Iraks bereitete. Es wurde sogar bekannt, daß einige irakische Kommunisten, die versuchten, sich auf russische Schiffe zu retten, die vor Basra ankerten, auf diesen Schiffen kein Asyl finden konnten. Bis auf den heutigen Tag erhält trotz der Angriffe in der russischen Presse Irak weitere russische Hilfe.

Der syrische Kommunistenführer, der nach der Baath-Revolution versuchte, von Rußland nach Syrien zurückzufliegen, durfte in Damaskus nicht das Flugzeug verlassen und mußte mit demselben Flugzeug wieder zurückfliegen. Auch die syrische Regierung ist nicht nur antinasserisch, sie ist auch antikommunistisch.

Die) israelische kommunistische Partei, die nur zirka fünf Prozent der Wählerschaft bei den Parlamentswahlen für sich gewinnen konnte und ungefähr 5000 eingeschriebene Mitglieder hat, besteht zur Hälfte aus arabischen Mitgliedern. Die arabische Minderheit in Israel beläuft sich auf zirka zehn Prozent der Bevölkerung. Die israelische kommunistische Partei ist die einzige legale kommunistische Partei des Mittleren Ostens, und ihre Publikationen geben den verschiedenen Strömungen des Kommunismus im Mittleren Osten Ausdruck.

Im Labyrinth der Ideologie

Bis vor einiger Zeit waren die kommunistischen Parteien des Mittleren Ostens im allgemeinen Moskau treu. Die Unterstützung der antikommunistischen Regime durch Moskau erklärten die Kommunisten damit, daß der Weltkommunismus im allgemeinen auch „bürgerliche Revolutionen” unterstützt, wenn diese eine fortschrittliche Tendenz zeigen, und es den kommunistischen Parteien überläßt, an Ort und Stelle, den „Klassenkampf” gegen dieses Regime durchzuführen, um in Zukunft ein kommunistisches Regime in diesen Ländern zu lancieren. Diese offiziellen Erklärungen konnten aber nicht immer die Kommunisten, die in Konzentrationslagern und in Gefängnissen sitzen, überzeugen. Ein großer Teil der verhafteten Kommunisten war von der Stellung Moskaus enttäuscht und verließ die Partei noch während der Haftzeit. Auch die Publikationen der israelischen kommunistischen Presse in arabischer Sprache konnten sich nur mit Müh und Not in dem ideologischen „Labyrinth”, das zwischen Theorie und Praxis besteht, zurechtfinden. Zeitweilig priesen sie Ägyptens Herrscher Gamal Abdel Nasser als die Verkörperung der arabischen nationalen Revolution. Zeitweilig griffen sie ihn als reaktionären Herrscher an. Der heute bereits ermordete irakische General Kassem war lange Zeit hindurch das kommunistische Idol der arabischen Welt. Doch in seinen letzten Tagen wurde auch er als Reaktionär angeprangert.

Die jüdischen Kommunisten in Israel hatten es auch nicht immer leicht mit Moskau. Der größte Schlag wurde ihnen nach Stalins Tod versetzt, als es sich herausstellte, daß Stalin fast die ganze jüdische intellektuelle Schicht in Rußland in Vernichtungslager verbannt hatte und fast alle jüdischen Schriftsteller in Moskau zum Tod verurteilt wurden. Bis auf den heutigen Tag konnte die jüdische Frage in Rußland selbst nicht gelöst werden. Man ermöglicht es der jüdischen Bevölkerung nicht, eine besondere jüdische Kultur zu betreiben, jiddische Schulen aufrechtzuerhalten usw. Russische Juden dürfen nicht nach Israel auswandern und sich dorf Bii Familien vereinigen. Im israelisch-arabischen.. Konflikt nimmt Rußland im allgemeinen eine antiisraelische Stellung ein und gibt dieser Stellung auch bei internationalen Tagungen Ausdruck. Die israelischen Kommunisten müssen sich oft nicht sehr überzeugender Argumente bedienen, um die russische Position zu verteidigen.

In den Fußstapfen Moskaus

Mit der Verschärfung des russischchinesischen Disputs konnte das China von Mao Tse-tung im Mittleren Osten Bundesgenossen entdecken, obwohl diese bisher kaum irgendwelche Fühlung mit dem roten China gehabt haben. Als erstes versuchte China, in den Fuß stapfen Moskaus zu gehen. Es Unterzeichnete Handelsverträge mit Syrien, Ägypten und Irak. Delegationen dieser Länder wurden nach China eingeladen. Auch einige israelische Kommunisten wurden in Peking sehr freundschaftlich aufgenommen. Doch Peking, das selbst mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, konnte es mit Moskau auf wirtschaftlichem Gebiet nicht aufnehmen, und die wirtschaftliche Hilfe, die es diesen Ländern angedeihen lassen konnte, war dementsprechend minimal. Aus diesem Grund versuchten chinesische Emissäre, inoffiziellen Kontakt mit den Kommunisten der arabischen Länder aufzunehmen. Die alte Führerschicht blieb im allgemeinen Moskau treu. Doch unter den jungen Intellektuellen konnte China mehr Gehör finden. Diese Intellektuellen behaupteten, daß die Chinesen dem Marxismus treuer geblieben sind und nach der marxistischen Theorie den Klassenkampf weiterführen, Moskau dagegen in den letzten Monaten nur noch einen „bürgerlichen Kommunismus” zu verbreiten sucht.

Die israelische kommunistische Partei verhielt sich am Anfang des Mos- kau-Peking-Disputs neutral. Es ist dies vielleicht darauf zurückzuführen, daß bis vor zirka acht Jahren die israelische Partei von der rumänischen Partei „adoptiert” wurde und ihre Instruktionen nicht direkt aus Moskau, sondern aus Bukarest erhielt. Später fungierte als Mutterpartei die kommunistische Partei Frankreichs, die selbst einen großen-, jiidischmationalen kommunistischen Zweig unterhält.

Während des chinesischen Indien- Feldzuges war das offizielle kommunistische Organ Israels „Kol Haam” (Volksstimme) prochinesisch eingestellt. Eine lange Zeit versuchte diese „Volksstimme”, ihren Lesern den russisch-1 chinesischen Disput vorzuenthalten. Darnach veröffentlichte sie die Publikationen der beiden Seiten, ohne irgendeine offizielle Stellung zu nehmen. Doch in den letzten Wochen wandte sich die kommunistische Führung vollständig Moskau zu und vertrat nur noch Moskaus Positionen.

Auch Israels „Chinesen” melden sich

Eine Gruppe von Intellektuellen, die vor einiger Zeit aus der kommunistischen Partei Israels ausschieden, weil diese ihnen zu stalinistisch war und den national-jüdischen Interessen zuwenig Gewicht beilegte, gibt seit einigen Monaten eine besondere Zeitung heraus. Sie beschuldigt die israelischen Kommunistenführer, daß sie nicht selbständig genug denken und blind dem Diktat Moskaus gefolgt sind. Dieser Tage erklärte sich diese Gruppe für Mao Tse-tung. Auf dem Titelblatt ihrer Zeitung „Mazpen” (Kompaß) erschienen ein großes Bild von Mao Tse- tung und ein Lobartikel für das rote China.

Eine Anzahl arabischer Intellektueller der kommunistischen Partei gliederte sich bereits dieser Gruppe an, die heute noch keine große Anhängerschaft hat. Auch aus dem illegalen kommunistischen Sektor der arabischen Staaten wurden bereits die ersten prochinesischen Stimmen laut. Wenn Moskau zuerst nur wegen seines bürgerlichen Kommunismus angeklagt wurde, so vergleichen diese Araber heute die Stellung Moskaus mit der Stellung Stalins, der sich seinerzeit weigerte, den chinesischen Kommunismus gegen Tschiangkaischek zu unterstützen. Sie nennen die Stellung Moskaus „einen Dolchstoß gegen den arabischen Kommunismus”.

Bis jetzt kann man noch von keiner großen prochinesischen kommunistischen Massenbewegung im Mittleren Osten sprechen. Die Anhänger Moskaus haben in diesem Lager immer noch die überwiegende’MehthiteiBödt mitlJdeiHi”‘chinesisch-rtissilscbeti ‘‘Disput enfsrirähg eine starke Itöftife’Oppositftfef in diesen monolithischen kommunistischen Parteien, die in naher Zukunft zu einer Spaltung dieser Parteien führen kann.

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