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Die Taktierer

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In Kairo, Damaskus und Tripolis wartet man mit großer Spannung auf den vorerst verschobenen Gipfel der Präsidenten Ägyptens, Syriens und Libyens. Davon wird es nach Meinung arabischer diplomatischer Beobachter abhängen, ob die drei Staaten dem Druck der Sowjetunion und der USA zu einer zunächst mindestens teilweisen Vernunftlösung über die Wiedereröffnung des Suezkanales nachgeben oder sich wider alle Vernunft in das unsichere Abenteuer eines vierten heißen Krieges gegen die Realitäten einlassen. Wie aus der syrischen Hauptstadt verlautete, wo sich der ägyptische Präsident Mohammed Anwar Es-Sadat kürzlich nach den Aufenthalten in Moskau und Belgrad mit Staatschef General Ha-fls El-Asad unter vier Augen beriet, ist der Ägypter über das Ergebnis seiner Konsultation mit der Kremlführungsspitze außerordentlich befriedigt. Sowjetquellen zufolge erfüllten KPdSU-Sekretär Breschnjew und UdSSR-Ministerpräsident Kos-sygin wohl den Kairoer Wunsch nach weiteren umfangreichen Waffenlieferungen, machten diese jedoch — ähnlich wie die USA gegenüber Israel — von echten Fortschritten bei der Suche nach einer Vernunftregelung des Nahostkonfliktes abhängig.

Die Moskauer Haltung, die sich jetzt derjenigen Washingtons gegenüber Israel seit dem Sechstagefeld-zug anzunähern scheint, bedeutet in erster Linie eine Stärkung der innenpolitischen Position Präsident Es-Sadats. Auch für die unruhigen Studenten und Offiziere in Ägypten steht außer Zweifel, daß das Land gegen sowjetischen Willen keinen Krieg riskieren kann. Es-Sadat dürfte es daher nicht schwerfallen, seine Kritiker von der Notwendigkeit weiterer diplomatischer Schritte zu überzeugen, zumal er sich dabei nach übereinstimmender Ansicht aller ausländischen Beobachter auf die Sympathien einer überwältigenden Bevölkerungsmehrheit stützen kann. Wer Ägypten in letzter Zeit bereiste und mit Ägyptern sprechen konnte, kam zu der Überzeugung, daß Studenten, Offiziere und Arbeiter nicht so sehr die Einlösung des Versprechens einer endgültigen Entscheidung über Krieg oder Frieden wollen, sondern mehr Offenheit bei der Darlegung der innen- und außenpolitische Ziele der Regierung. Findet Es-Sadat jetzt den Mut, seinem Volk die Notwendigkeit einer langfristigen Friedenspolitik zu erklären, werden ihm selbst seine Kritiker nicht widersprechen.

Schwierigkeiten zu gewärtigen hat der ägyptische Staatschef nur von seinen Bündnispartnern in der arabischen Dreierföderation. In der syrischen Hauptstadt besteht man auf der Rückgewinnung der Golan-höhen auch bei einer diplomatischen Lösung. Man argumentiert hier mit der Feststellung, daß dieses Gebiet für Israel strategisch bedrohlich nur bei einer Fortdauer der Feindseligkeiten sei. Komme es zu einer Verhandlungslösung, an deren Ende die völkerrechtliche Anerkennung des Existenzrechtes Israels durch seine Nachbarn stehe, brauche Israel die Golanhöhen nicht länger besetzt zu halten.

Diese Logik dürfte auf Widerstand nur bei dem libyschen Militärdiktator Mo'ammer El-Gaddafi stoßen. Der junge Oberst fühlt sich als berufenster Sachwalter der islamischarabischen Interessen gegen das jüdisch-zionistische Israel. Für ihn ist es unerträglich, daß die Araber die israelische Kröte schlucken. Für Ägypten stellt sich infolgedessen die schwerwiegende Frage, die Friedenspolitik konsequent fortzusetzen und gleichzeitig den bislang hoffnungsvollsten Versuch zur Verwirklichung der arabischen Einheit fortzusetzen oder El-Gaddafls Aggressionen nachzugeben und einen aussichtslosen neuen Krieg zu riskieren. Wie man in Kairo hörte, hofft Präsident Es-Sadat, diesem Dilemma durch die erneute Anrufung der Vereinten Nationen zu entgehen. Das ägyptische Staatsoberhaupt denkt dabei nicht so sehr an eine Wiederbelebung der Jarring-Mis-sion. Der schwedische UN-Botschafter habe sich durch seine Schweigsamkeit und durch sein übervorsichtiges Taktieren das Vertrauen beider Seiten verscherzt. Was man in Kairo möchte, ist ein direktes Eingreifen des neuen UN-Generalsekretärs Waldheim. Entschließe er sich zu einer direkten Intervention in Kairo und Jerusalem, wobei er sich auf die Zustimmung Moskaus und Washingtons stützen könne, so sei deren Gewicht groß genug, um nicht nur echte Fortschritte wie etwa die Wiedereröffnung des Suezkanales zu erzwingen, sondern auch Ägypten vom Druck seines radikalen len Bundesgenossen Libyen zu befreien.

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