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Auf arabischen Granit gebissen

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Er kam, sah - von einem durchschlagenden Erfolg ist freilich weit und breit nichts in Sicht: A lexander Haigs erste Nahost- Mission war für den neuen Chefdes amerikanischen A ußenamtes wohl eher ernüchternd. Denn nur bedingt stießen Seine Vorstellungen von einem strategischen Bündnis zur Abwehr des sowjetischen Expansionismus auf Zustimmung in den Hauptstädten befreundeter und verbündeter Staaten der USA in dieser Krisenregion.

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Er kam, sah - von einem durchschlagenden Erfolg ist freilich weit und breit nichts in Sicht: A lexander Haigs erste Nahost- Mission war für den neuen Chefdes amerikanischen A ußenamtes wohl eher ernüchternd. Denn nur bedingt stießen Seine Vorstellungen von einem strategischen Bündnis zur Abwehr des sowjetischen Expansionismus auf Zustimmung in den Hauptstädten befreundeter und verbündeter Staaten der USA in dieser Krisenregion.

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Stabilität ist ein Wort, das man in Zusammenhang mit der politisch-strategischen Situation im Nahen Osten nur schwer über die Lippen bringt. Tatsächlich ist der Boden, aus dem nicht weniger als 40 Prozent des „Lebenssaftes“ der westlichen Industriegesellschaften strömt, so unsicher wie eh und je (laut der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ beziehen die USA ein Drittel, Westeuropa 60 Prozent und Japan 70 Prozent ihrer Erdölimporte aus der Krisenregion rund um den Persisch- Arabischen Golf).

Stichworte, die derzeit die bedrohlich unsichere Situation im und um den „Krisenbogen“ (wie Ex-Präsident Jimmy Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski das Gebiet zwischen Ägypten und Südwestasien umschrieb) kennzeichnen, sind:

Die anhaltende revolutionäre Unrast in Iran; der irakisch-iranische Krieg; die fortwährende Okkupation Afghanistans durch die Rote Armee; die Verschlechterung der syrisch-jordanischen Beziehungen; die syrisch-irakischen Feindseligkeiten; der verstärkt wieder- aufgeflammte Bürgerkrieg im Libanon.

Dazu kommt noch der fortdauernde arabisch-israelische Konflikt, symbolisiert vor allem durch die seit Jahrzehnten ungelöste Palästinenserfrage.

Die neue amerikanische Regierung unter Präsident Ronald Reagan hat eine recht einfach klingende Erklärung Tür die Ursachen dieser Konflikte parat.

Um es überspitzt zu formulieren: Sie vermutet hinter all diesen Auseinandersetzungen letztlich die Quertreibereien einer einzigen Macht - der Sowjetunion, die den Nahen Osten als Spielwiese für ihre imperialistisch-koloniali- stischen Intrigen benütze.

In der Sprache des State Departements (US-Außenamt) klingt das freilich diplomatisch-vornehmer:

„Wir betrachten den Nahen Osten, miteingeschlossen den Persischen Golf, als einen Teil eines größeren politischstrategischen Schauplatzes … und wir betrachten ihn als eine strategische Einheit, die einer umfassenden Behandlung bedarf, um ein angemessenes Machtgleichgewicht sicherzustellen“, so Richard Burt, Direktor des Büros Für politisch-militärische Fragen im State Departement.

Direktor Burt weiter: „Wir glauben fest daran, daß die Erhöhung der Sicherheit in der Region eng mit einem Fortschritt im Friedensprozeß zwischen Israel und den arabischen Staaten verknüpft ist…

Es ist deshalb wichtig, daß die arabisch-israelische Frage und andere regionale Konflikte in einem strategischen Rahmenwerk behandelt werden, in dem die größere Gefahr des sowjetischen Expansionismus berücksichtigt und darauf entsprechend reagiert wird.“

Die „Gefahr des sowjetischen Expansionismus“ hatte freilich schon Ex- Präsident Jimmy Carter im Auge, als er nach der Invasion der Sowjets in Afghanistan in seiner „Botschaft über die

Lage der Nation“ im Jänner 1980 erklärte:

„Jeder Versuch einer äußeren Macht, die Kontrolle über den Persischen Golf zu gewinnen, wird als eine Bedrohung der vitalen Interessen der Vereinigten Staaten betrachtet und ein solcher Übergriff wird mit allen notwendigen Mitteln, militärische miteingeschlossen, beantwortet.“

So begann denn auch schon die Carter-Administration, einen Sicherheitsgürtel rund um den Krisenbogen Nah-- ost zu knüpfen:

• Landerechte Für Flugzeuge und Kriegsschiffe in Kenia, Somalia und Oman wurden gesichert;

• zusammen mit den Briten wurde der Inselstützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean ausgebaut;

• starke Flottenverbände wurden in den Indischen Ozean dirigiert; >

• gemeinsam mit ägyptischen Streitkräften Führten amerikanische Eingreiftruppen in der Wüste Sahara Luft- und Landetruppenmanöver durch.

Die neue Regierung in Washington will nun offensichtlich die durch die „Carter-Doktrin“ eingeleitete verstärkte militärische Präsenz der USA in der Region noch weiter ausbauen.

Eine Grundüberlegung dabei ist: mit den pro-westlich orientierten Staaten in und um die Region soll in Sicherheitsfragen eine noch engere Zusammenarbeit stattfinden. Es betrifft dies vor allem Ägypten, Israel. Jordanien, Saudiarabien, Oman und die kleineren Golfstaaten, aber auch die etwas weiter* „vom Schuß“ liegenden Länder Sudan, Türkei und Pakistan.

Zu diesem Zweck will Washington das Füllhorn seiner Wäffenarsenale Für die verbündeten und befreundeten Staaten der Region noch beträchtlich großzügiger öffnen. Saudiarabien zum Beispiel soll die bestellten 62 Hochleistungsjäger F-15 mit Unterflügel- Tanks zur Erweiterung ihrer Reichweite erhalten, bis 1985 ebenso Fünf AWACS-Frühwarnsysteme sowie sieben Tankflugzeuge, mit denen die Kampfflugzeuge in der Luft aufgetankt werden können.

Israel steht diesen Waffenlieferungen an die Saudis natürlich äußerst besorgt gegenüber (siehe auch FURCHE Nr. 10/81).

Damit all die im amerikanischen Nahost-Sicherheitskonzept vorgesehenen Maßnahmen aber in die Tat umgesetzt werden können, bedarf es zuerst einer Übereinstimmung, eines „strategischen Konsens“, wie es US-Außenmi- nister Haig formulierte. Die in das amerikanische Sicherheitskonzept eingebundenen Staaten müssen erst einmal die Ansicht Washingtons teilen, daß die größte Gefahr für den Nahen Osten tatsächlich von der Sowjetunion her droht.

Und gerade in dieser Hinsicht hat Außenminister Haig bei einem Teil seiner arabischen Gesprächspartner während seiner ersten Nahost-Mission auf Granit gebissen.

Dabei hatte ihn schon vor seiner Reise der frühere Leiter der Nahost- Abteilung im State Departement, Harold Saunders, davor gewarnt, die Spannungen in der Region ausschließlich im Sinn der Ost-West-Auseinandersetzung zu interpretieren. Den Sicherheitsvorstellungen der Gastgeber müsse der Vorrang vor der politisch- strategischen Globalanalyse der USA gegeben werden.

Haig hörte offensichtlich nicht auf die Ratschläge von Saunders, also mußte er „Fühlen“:

• In Kairo machte man dem US- Außenminister klar, daß das strategische Konzept der Regierung Reagan zur Eindämmung des sowjetischen Einflusses von Ägypten zwar gebilligt und auch unterstützt werde, man möchte aber eine Gleichstellung der Sicher- heits- mit der Friedenspolitik.

Die ägyptische Regierung ist also mit den von Washington gesetzten Prioritäten - Sicherheit als wichtigste Grundlage des weiteren Friedensprozesses - keineswegs einverstanden.

• In Jordanien kam es Für Haig noch dicker: König Hussein warnte den amerikanischen Außenminister davor, den Nahost-Konflikt in Zusammenhang mit den Rivalitäten der Supermächte USA und UdSSR in der Region zu sehen.

Nicht die Sowjetunion sei die Hauptgefahr Für den Frieden im Nahen Osten, sondern Israel und seine Politik in den besetzten Gebieten, stellten offizielle jordanische Gesprächspartner r Haigs dessen „strategischen Konsens“ auf den Kopf.

• Auch in Saudiarabien brachte Haig seine Vorstellungen über eine Sicherheitspolitik für die Region nicht an den Mann - sprich: das saudische Königshaus.

König Khaled und Kronprinz Fahd wiederholten ihren „unverrückbaren“ Standpunkt, daß „kein gerechter und dauerhafter Friede im Nahen Osten erreicht werden kann, ehe nicht die Rechte der Palästinenser anerkannt werden und Israel sich (aus den besetzten Gebieten, die Red.) zurückzieht“.

Haig mag die Hartnäckigkeit, mit der in Jordanien, Saudiarabien, aber auch in Ägypten die Palästinafrage in den Vordergrund der Gespräche gerückt werde, überrascht haben.

Aber es ist eine (noch immer) unumstößliche Tatsache: Bei allen Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen, die sie selbst mit der PLO haben, spielt der „Faktor Palästinenser“ in der Politik der arabischen Länder nach wie vor eine wesentliche Rolle.

Dazu kommt, daß bei aller Freundschaft einzelner arabischen Regierungen zu den USA in diesen Ländern auch ein latenter Antiamerikanismus vorhanden ist, der im Falle einer allzu engen Umarmung mit Washington zu offenen internen Konflikten führen könnte.

Außerdem: Die Golfstaaten ebenso wie Ägypten sind sich der (äußeren) Bedrohung durch die Sowjetunion zwar bewußt, in diesen Gesellschaften lauern aber nicht weniger beträchtliche interne Gefahren:

• der Widerstand fundamentalistisch-islamischer Kreise gegen die als vom Westen aufgepfropft empfundene Modernisierung (erinnert sei an die Besetzung der Moschee von Mekka im November 1979);

• die Überfremdung der Golfstaaten durch ein Millionenheer ausländischer Gastarbeiter, das von den „einheimischen“ Arabern immer mehr als Bedrohung der eigenen Gesellschaften empfunden wird (in Kuwait zum Beispiel sind heute nur mehr 41 Prozent der Bevölkerung auch „echte“ Kuwaitis).

Angesichts dieser inneren Probleme der arabischen Länder ist nur allzu verständlich, daß die Regierungen den USA gegenüber eine eher distanziert- kritische Haltung einnehmen und auch eigene Wege in Sicherheits-Angelegenheiten zu gehen versuchen, wie erst Anfang März die Gründung eines „Rates Für Zusammenarbeit“ von sechs arabischen Golfstaaten (Saudiarabien, Kuwait, Bahrein, Quatar, Vereinigte Arabische Emirate und Oman) gezeigt hat.

Die „New-York-Times“ faßte den Standpunkt der arabischen Golf-Staaten in dem Satz zusammen: „Zwar würden sie, was ihre Sicherheit anbetrifft, sehr gerne mit den Vereinigten Staaten verbunden sein, der arabischen und islamischen Welt aber möchten sie den Eindruck geben, daß sie es nicht sind.“

Das ist wohl auch der Haken Für die Nahostpolitik Ronald Reagans: es gilt für Washington, seine Verpflichtungen gegenüber den Partnern in der arabischen Welt konsequent zu erfiillen, diese aber durch allzu forsches machtpolitisches Auftreten nicht in Verlegenheit zu bringen.

Alexander Haig dürfte diese Lektion bei seiner ersten Nahost-Mission wohl schon bekommen haben …

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