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Die Zukunft gehört den USA

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„Die Zukunft gehört dem Kapitalismus" ist die Botschaft des Bestsellers von Francis Fukuyama. Der langjährige Leiter des Planungsstabes im State Departement meint damit auch „Die Zukunft gehört Amerika". Gehört der Supermacht USA tatsächlich die Zukunft? Gibt es nicht eher Zeichen für den unaufhaltsamen Abstieg?

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„Die Zukunft gehört dem Kapitalismus" ist die Botschaft des Bestsellers von Francis Fukuyama. Der langjährige Leiter des Planungsstabes im State Departement meint damit auch „Die Zukunft gehört Amerika". Gehört der Supermacht USA tatsächlich die Zukunft? Gibt es nicht eher Zeichen für den unaufhaltsamen Abstieg?

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In seiner Botschaft zur Lage der Nation im Jänner sagte US-Präsident George Bush „Die Vereinigten Staaten sind vom Führer des Westens zum Führer der Welt geworden" und weiter „Die Welt anerkennt uns als einzige und herausragende Macht".

Ist Amerika wirklich noch Supermacht? In einer Reihe von Aufsätzen und Büchern behaupten US-Autoren das Gegenteil. Eine dieser gewichtigen Positionen ist Paul Kennedys „Aufstieg und Fall der Großen Mächte". Weltmächte, so seine These, tendieren immer zu wirtschaftlicher Überforderung, indem sie zu viel Geld in unproduktive Militärbudgets und zu wenig in zukunftsträchtige Entwicklungen stecken. Sie werden letztlich von einer anderen aufstrebenden Macht abgelöst. Genau das passiere jetzt mit den USA. Fukuyama hingegen behauptet in seinem Bestseller „Das Ende der Geschichte", der weltgeschichtliche Machtkampf sei entschieden. Liberale Demokratie, Menschenrechte und der Kapitalismus hätten sich durchgesetzt, die letzten gegnerischen Bastionen (wie China) werden auch bald fallen. Das bedeute zwar dann nicht die politische Weltherrschaft der USA, aber die kulturelle. Nämlich Weltherrschaft ihrer Ideen.

Was macht Amerikas Supermacht-Position aus? Von der naiven Vorstellung, daß es objektive Kriterien dafür gibt, was zu einer Supermacht gehört, sind Experten ja längst abgekommen. Supermacht ist, wer als solche anerkannt wird. Es sind nicht politische, ökonomische oder militärische „Besitztümer". Nicht einmal nukleare Potentiale sind das bestimmende Merkmal. Denn Machtpositionen bilden sich heute in einem Feld von Beziehungen heraus. Das heißt, es kommt immer auch auf andere an. Diese „Anerkennung durch die anderen" war für die Amerikaner bisher eindeutig gegeben: Die Europäer akzeptierten die Vormachtstellung, weil die USA der Sieger des Zweiten Weltkrieges waren. Dazu kam die ökonomische Abhängigkeit, erst durch den Marshallplan, dann durch die Rolle des Dollar als Leitwährung.

Und heute? Eindeutig ist noch immer die militärische Dominanz der USA. Der Golfkrieg zeigte mehr als deutlich die Überlegenheit ihrer Hochtechnologie-Waffen. Zwar wird derzeit die militärische Präsenz (aus bud-getären Gründen) abgebaut. Aber das bedeutet keine militärische Schwächung. Es wird lediglich in Richtung hochtechnologisierte mobile „Feuerwehrkräfte" zum Einsatz in Krisengebieten umstrukturiert.

Wirtschaftlich werden die USA allerdings derzeit von Krisen geschüttelt. Budgetnöte, ein kaputtes Sozialsystem, Arbeitslosigkeit und seit Ronald Reagan ein stark geschwundenes Selbstvertrauen, vor allem in Blick auf die Zukunft, frustriert die Wähler.

Was die geistig-kulturelle Position der Vereinigten Staaten betrifft, so ist die Einschätzung ambivalent. Einerseits ist „Kapitalismus" kein Schimpfwort mehr, andererseits wird auf die Trivialkultur ä la Dallas und Denver-Clan, auf Coca-Cola und Hamburger-Kultur abschätzig herabgesehen.

Und politisch? Schon Präsident Jimmy Carter hat versucht, die Weltmachtrolle zurückzuschrauben. Reagan war in der Folge der Exponent der Gegenströmung, die die Su-permachtstellung durch mehr Rüstungsausgaben auf Kosten der Sozialpolitik und Erneuerung der wirtschaftlichen Infrastruktur zurückerobern wollte. George Bush proklamierte im Anschluß an den Golfkrieg die Idee einer „Neuen Weltordnung". Da die UdSSR kein Gegner mehr ist, so die Intention, können mit Hilfe starker Koalitionen endlich weltweit Demokratie, Frieden und Gerechtigkeit durchgesetzt werden. Hier sind nach wie vor die Europäer getreue Partner Washingtons. Ob das so bleiben wird, ist allerdings fraglich. Vor allem dann, wenn die „Europäischen Union" ihrer wirtschaftlichen Macht auch eine politisch-militärische Rückendeckung gibt. Die Europäer brauchten sich dann nicht mehr als Juniorpartner fühlen.

Doch selbst wenn die USA ihre Führungsfunktion reduzieren wollten, könnten sie das gar nicht. Zu viele Aufgaben bleiben, deren Lösung man erwartet, und die sie nicht an andere abtreten können. So ist die US-Präsenz als Gegengewicht zu einem unruhigen Osten und einem starken Deutschland in Europa notwendig. Mittel- und langfristig gibt es keine andere globale Ordnungsmacht gegenüber einer sich merkbar stärker fühlenden muslimischen Welt mit ihrem Fundamentalismus und politischem Missionsbewußtsein. Dazu kommen andere „Pflichten" wie beim Friedensprozeß im Nahen Osten oder Kompetenz bei der Liquidierung der Nuklearwaffen.

Daß die LTSA dabei die Verantwortung für bestimmte Regionen delegieren, ist vorstellbar. So haben sie den Europäern bei der Lösung des Konfliktes im zerfallenden Jugoslawien den „Vortritt" gelassen. Vielleicht ist das auch für Afrika und sogar im Nahen Osten denkbar. Aber bislang drängt sich niemand auf beziehungsweise beansprucht Führungs-Kompetenz.

Die Amerikaner stehen also selbst unter Druck. Sie können sich von ihrer Weltmachtrolle trotz gravierender ökonomischer Probleme gar nicht verabschieden. Wer daher lediglich auf sie schimpft oder ihren Abstieg als Supermacht herbeisehnt, verkennt die weltpolitischen Tatsachen...

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