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Kampf gegen die Gladiatoren

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Die Verurteilung der sowjetischen Invasion in Afghanistan durch einen Großteil der arabischen Staaten in der UNO und bei der Konferenz der Außenminister von 36 islamischen Staaten in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad hat eines klar gezeigt: Den meisten arabischen Ländern ist es mit ihren Bestrebungen nach blockfreien Positionen ernst, überaus ernst sogar. Vor allem die Regierungen der Staaten am Persischen Golf meinen, Blockfreiheit sei gewissermaßen eine Garantie dafür, daß ihre Region in der zunehmend schärfer werdenden Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion nicht zu einem Schlachtfeld der beiden Supermächte wird. Deshalb versuchen sie auch, die Gladiatoren aus der „Golf-Arena" herauszuhalten.

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Die Verurteilung der sowjetischen Invasion in Afghanistan durch einen Großteil der arabischen Staaten in der UNO und bei der Konferenz der Außenminister von 36 islamischen Staaten in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad hat eines klar gezeigt: Den meisten arabischen Ländern ist es mit ihren Bestrebungen nach blockfreien Positionen ernst, überaus ernst sogar. Vor allem die Regierungen der Staaten am Persischen Golf meinen, Blockfreiheit sei gewissermaßen eine Garantie dafür, daß ihre Region in der zunehmend schärfer werdenden Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion nicht zu einem Schlachtfeld der beiden Supermächte wird. Deshalb versuchen sie auch, die Gladiatoren aus der „Golf-Arena" herauszuhalten.

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In den Straßen der irakischen Hauptstadt Bagdad könnte man manchmal für Augenblicke fast vergessen, daß man sich in einer orientalischen Metropole befindet: Da verstopfen endlose Autoschlangen -zumeist europäische und japanische Fabrikate - die breit angelegten Hauptstraßen, ragen moderne Bauten in den Himmel - eine Mischung amerikanisch-europäischer Bürohausarchitektur mit islamischen Stilelementen -, trifft man modebewußt gekleidete Damen in Reisebüros, Hotels, vor Schulen und Universitäten.

Soll das der Irak sein, von dem es immer wieder heißt, er politisiere im Fahrwasser des Kreml, zähle zu den radikalsten Staaten innerhalb der arabischen Welt, sei vollkommen anti-amerikanisch und anti-europäisch eingestellt? Gewiß, diese Frage aus dem Straßenbild der Hauptstadt auf die Politik dieses Staates abzuleiten, scheint naiv - verkehrt ist sie allemal nicht.

Denn da ist nicht nur das teilweise verwestlichte Straßenbild in Bagdad, da sind in jüngster Zeit auch die deutlichen Signale irakischer Spitzendiplomaten an den Westen, vor allem nach Westeuropa, die politische Position ihres Landes endlich unter anderen Gesichtspunkten zu betrachten und sie besser zu verstehen. Signale übrigens, die auch die anderen arabischen Golfstaaten immer wieder in Richtung Westen aussenden.

Der britische Nahostexperte Mick Ashly formulierte die Problematik in einem Interview mit der FURCHE so: „Wir Westeuropäer glauben immer, daß die Araber gegen uns sind, wenn sie nicht für uns sind. Sie sind nicht für uns, das ist richtig. Sie sind aber auch nicht für die Sowjets - abgesehen von den moskautreuen KommunJ9te;"die bislang aber erst im Südjemen an der Mächt sind. Sehr wohl aber wollen die arabischen Golfstaaten mit den Europäern kommerziell zusammenarbeiten."

Daß etwa die Regierung in Bagdad nicht total auf der Seite der Sowjets ist, obwohl sie schon seit acht Jahren einen Freundschafts- und Kooperationsvertrag mit Moskau hat, ist in letzter Zeit immer klarer geworden. Nicht nur, weil die derzeit in Bagdad regierende „Sozialistische Partei der Arabischen Wiedergeburt (ABSP), kurz „Ba'th" (Wiedergeburt) genannt, mit vermeintlichen Regimegegnern aus den Reihen der starken irakischen KP immer wieder kurzen Prozeß macht und sie an die Wand stellt:

Nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan haben sich die Beziehungen zwischen Bagdad und Moskau deutlich abgekühlt, hat doch der Irak die Moskauer Intervention in der UNO und bei der islamischen Außenminister-Konferenz in Islamabad mit verurteilt. Ja, in Bagdad hört man in diesen Tagen sogar Gerüchte, daß die irakische Regierung erwäge, den Freundschaftspakt mit der Sowjetunion aufzukündigen.

Freilich bedeutet die irakisch-sowjetische Klimaverschlechterung keineswegs, daß sich Bagdad jetzt dem Westen in die Arme wirft - im Gegenteil: Irak und auch andere arabische Golfstaaten verurteilen zwar die sowjetische Präsenz in Afghanistan, im selben Atemzug weisen sie aber auch darauf hin, daß sie von einer amerikanischen Präsenz in der Golfregion nichts wissen wollen.

Der irakische Außenminister Sa-dou Hammadi dazu in einem Interview mit dem amerikanischen Nachrichten-Magazin „Newsweek": „Sowjetische Truppen oder Berater sollten sich nicht in Afghanistan oder in einem anderen Land aufhalten. US-Truppen sollten nicht in einem anderen Land stehen. Wir glauben nicht, daß der beste Weg, auf die sowjetische Präsenz in Afghanistan zu antworten, ist, in derselben gfUUfit amerikanische militärische Präsenz zu haben..."

Ähnlich analysiert der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in London, Mahdi al-Tajir, in einem Interview mit dem britischen Sonntagsblatt „Observer" die Lage: Die westliche Suche nach militärischen Stützpunkten am Golf im gegenwärtigen Klima entfremdet seiner Meinung nach die lokalen Einstellungen noch weiter vom Westen, bringt in die Region eher noch mehr Unruhe als sie (militärisch) zu stärken und lädt die Sowjets viel eher zu einer weiteren Intervention ein, als sie davon abzuschrecken.

Jedenfalls werden in den arabischen Golfstaaten Neutralität und Blockfreiheit als der bessere Schild gegen ausländische Einmischung angesehen, als in der derzeitigen Situation den Westen zu Hilfe zu rufen, um die sowjetische Bedrohung abzuwehren. Das westlich orientierte Oman mußte diese Erfahrung machen, als die übrigen arabischen Golfanrainer seinen Vorschlag brüsk verwarfen, mit den USA und der NATO enger zusammenzuarbeiten.

Daß Oman diesen Vorschlag machte, ist nicht verwunderlich, bilden doch etwa 700 Offiziere aus Großbritannien und den USA die dortigen Streitkräfte aus. Washington und London liefern auch die Waffen. Und aus diesen beiden westlichen Hauptstädten kommt auch die Anregung, daß - viel wichtiger noch als weitere Waffenhilfe - eine engere militärische Zusammenarbeit mit gemeinsamen Manövern zum Schutz der 01-felder notwendig wäre: also eine militärische Allianz der arabischen Golfstaaten.

Pläne für militärische Allianzen gibt es auch in den Hauptstädten der Golfstaaten zur Genüge, an eine westliche Mitarbeit wird dabei aber nicht gedacht, schon gar nicht an eine amerikanische. Denn die Stimmung in den arabischen Ländern ist trotz Afghanistan weiterhin scharf antiwestlich, fehlen doch auch in der Propaganda gegen das ägyptisch-israelische Friedensabkommen niemals Seitenhiebe gegen den „US-Imperialismus".

Stattdessen versuchen die arabischen Staaten am Qolt eigene Bündnisse zu schmieden - und das ist eigentlich sehjfl$; jrehwierignug.

Denn da wollen auf einmal eine immer wackligere konservative Dynastie wie in Saudiarabien und ein pro-gressistisches sozialistisches Regime wie in Bagdad militärisch zusammenarbeiten - zwei Herrschaftssysteme, die einander bislang immer mit großem Mißtrauen begegnet sind.

Zudem vertritt etwa die Ba'th-Re-gierung in Bagdad eine Ideologie, die von den Regierungen kleinerer arabischer Staaten als eine Art revolutionäres Umsturzprogramm angesehen wird. Bagdad hat außerdem seinen jahrzehntelangen Anspruch auf die Annektion Kuwaits noch nicht aufgegeben.

Kein Wunder, daß die Regierungen kleinerer Golfstaaten auf das Angebot Bagdads zurückhaltend reagierten, das ihnen militärische Hilfe für den Fall angeboten hatte, daß sie sich vom Iran bedroht fühlten. Denn das Streben der Irakis nach Hegemonie am Persischen Golf, dem Bagdad durch die Schwächung Irans um ein gutes Stück näher gekommen ist, scheint diesen Staaten fast so verdächtig wie die propagandistische Wühlarbeit, mit der die schiitischen Eiferer in Teheran die islamische Rebellion auch in den arabischen Golfstaaten anzetteln wollen. Irak, der einen hohen Anteil an Schiiten aufweist, hat mit der aufrührerischen

Propaganda aus Teheran selbst ganz gehörig zu kämpfen.

Indes dreht sich das Rüstungska-russel auf der arabischen Seite des Golfes weiter: Der Irak baut seine Kriegsmarine mit Anschaffungen aus Italien erheblich aus und führte für die Luftwaffe moderne französische Waffensysteme ein; Kuwait wurde von der Sowjetunion mit Boden-Boden-Raketen beliefert und kaufte ebenso wie Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate in Großbritannien und Frankreich moderne Kampfflugzeuge; Oman wird überdies von den USA eine Militärhilfe für rund 100 Millionen Dollar beziehen, wobei vor allem Minensuchgeräte auf der Wunschliste des Sultanats stehen.

Da ist nicht nur das iranische Mächtvakuum und der Funke revolutionär-islamischer Unrast, mit dem die schiitische Theokratie in Teheran auch in anderen Ländern zu zündeln versucht; da sind nicht nur die inneren Probleme, mit denen eigentlich jeder arabische Golfstaat fertig zu werden hat: der Irak mit der kommunistischen, schiitischen und kurdischen Opposition, Saudi-Arabien mit einer radikal-religiösen Erneuerungsbewegung und einem Millionenheer immer unzufriedener werdender Gastarbeiter, Oman mit einer kommunistisch orientierten Volksbefreiungsfront, die Vereinigten Arabischen Emirate, die aus sieben mit einander rivalisierenden Kleinstaaten bestehen.

Ebenso bedrohlich wie ihre inneren Probleme muß den arabischen Golfstaaten das sowjetische Vorgehen in dieser Region erschienen. Afghanistan ist dabei nicht der einzige Staat, den Moskau (gewaltsam) in seinen Einflußbereich gebracht hat. An der Südspitze der arabischen Halbinsel zeichnet sich schon ein weiterer „Gebietsgewinn" des Kremls ab:

Denn der bis vor kurzem pro-westliche Nord-Jemen, der sich im vergangenen Jahr mit dem sowjetischen Satelliten Süd-Jemen noch blutig bekriegt hatte, ist auf dem besten Wege, einer Vereinigung der beiden Staaten unter marxistischen Vorzeichen zuzustimmen. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um zu erkennen, was ein kommunistischer Gesamt-Jemen für die Region - vor allem für das Rote Meer, Saudi-Arabien und Oman - bedeuten würde, zumal die Sowjets und ihre Helfershelfer aus Kuba und der DDR sich in Äthiopien ja auch schon festgesetzt haben.

„Wir wollen keine Arena der Supermächte werden", erklären einem arabische Gesprächspartner, wenn man sie auf die sich immer deutlicher werdende sowjetische Zangenbewegung rund um die Golfregion anspricht: deshalb auch die teilweise brüske Zurückweisung amerikanischer Hilfsangebote in einigen Golfstaaten, darum das politische Streben nach Blockfreiheit und Neutralität. Fragt sich nur, ob die Araber an der „Golf-Arena" mit dem einen Gladiator allein fertig werden, der sich in ihrer Region ja schließlich immer weiter ausbreitet...

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