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Keine Flasche für den Chinesen…

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Im immer schärferen Wettkampf stehen die beiden kommunistischen Weltmächte auf der arabischen Halbinsel. Während die Sowjetunion bereits kurze Zeit nach der Oktoberrevolution Sendboten in die arabische Welt entsandte und die Aufnahme diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen auch den Ländern vorschlug, die, wie der Jemen, noch in feudal-patriarchalischen Traditionen verharrten, machte sich Rotchina erst in den letzten Jahren bemerkbar. Vor allem durch die Einrichtung von Schulen, aber auch im Straßenbau taten sich die fleißigen Chinesen hervor.

Wie scharf die Konkurrenz zwischen der Sowjetunion und China geworden ist, dafür gibt es interessante Beispiele in der Arabischen Republik Jemen, die nach dem Sturz des Iman Republik geworden ist. Dort trug sich kürzlich folgende Begebenheit zu: Die jemenitische Regierung gab in ihrer Hauptstadt Sana ein Festessen, bei dem das Ungeschick des Protokolls die Botschafter der Sowjetunion und der Volksrepublik China nebeneinander gesetzt hatte. Ein jemenitischer Regierungsvertreter reichte dem sowjetischen Diplomaten eine Flasche mit der Bitte, das Getränk an seinen chinesischen Nachbarn weiterzugeben. Der Russe weigerte sich ganz einfach, dies zu tun und stellte die Flasche vor sich hin. Der wegen dieser Weigerung erstaunte Jemenite fragte den Sowjetmann, wie er sein Verhalten erkläre.

Die Antwort des russischen Botschafters lautete: Wenn er das Getränk seinem chinesischen Nachbarn angeboten hätte, dann würde der chinesische Botschafter ihn, den Russen, durch die Verweigerung der Annahme gekränkt haben. Einer solchen Brüskierung setze er sich erst gar nicht aus. Der immer noch verwirrte Jemenit stellte darauf dem chinesischen Gast die Frage, ob er denn tatsächlich sich weigere, die bloße Höflichkeitsgeste eines Russen zu akzeptieren? Der Vertreter Pekings bestätigte jedoch, daß er genau dies getan haben würde. Dem Jemeniten blieb nichts anderes übrig, als aufzustehen und das Getränk selbst dem Chinesen anzubieten.

Gewiß kein weltbedeutsamer Vorgang. Aber manchmal geben gerade solche kleine Begebenheiten deutlichere Hinweise auf das Verhältnis zwischen zwei Staaten. In diesem Fall kann nur noch von einer totalen Feindschaft der beiden kommunistischen Supermächte gesprochen werden. Wo es geht, bemühen sich die Vertreter Moskaus und Pekings, einander das Wasser abzugraben. Es gibt kein Entwicklungsprojekt, bei dem Chinesen und Sowjets Zusammenarbeiten. Werden diplomatische Empfänge gegeben, so vermeiden die marxistischen Stiefbrüder jeden Kontakt miteinander.

Unterschiedliche Methoden

Auf der arabischen Halbinsel — wie in anderen Teilen der Welt — zeigt das Verhalten der beiden feindlichen Großmächte auch sonst klare

Unterschiede: Halben die Sowjets eine Hilfezusage für ein Entwicklungsprojekt gegeben, so verwenden sie einheimische Kräfte nur in untergeordneten Stellungen. Die gesamte Leitung, Planung und alle technischen Hilfsmittel sind sowjetisch. Die Botschaftsangehörigen leben in einem Ghetto, das nur aus dienstlichen Anlässen verlassen wird, der Kontakt mit der Bevölkerung des Gastlandes beschränkt sich auf das Notwendigste.

Ganz anders die Chinesen. Als Beispiel diene der Bau einer Asphaltstraße, die eines Tages Jemens Hauptstadt Sana mit dem Norden des Landes über 250 Kilometer hinweg verbinden soll.

Schon in ihrer Kleidung lassen sich die chinesischen Techniker kaum von ihren jemenitischen Mitarbeitern unterscheiden. Es wird ganz einfacher, einfarbiger Stoff getragen, der den Berater nicht von dem Sitzarbeiter abhebt. Es gibt keinen sichtbaren Planungsstab, kein Büro am Arbeitsplatz, wo Menschen anderer Hautfarbe sich einen Reservatbezirk geschaffen haben. Alle Vorbereitungsarbeiten wurden in der Stille getroffen. An der Arbeitsstelle packt der chinesische Ingenieur oder Vorarbeiter auch bei einfachen Arbeitsvorgängen genauso zu wie die jemenitischen Arbeiter. Die Absicht leuchtet ein. Die Araber sollen den Eindruck gewinnen, daß sich die chinesischen Entwicklungshelfer nicht zu gut für Handarbeit sind. Außerdem soll ein Arbeitsklima geschaffen werden, das den Eindruck gleichberechtigter Partnerschaft vermittelt.

„Sie kommen wie die Ameisen“, so charakterisiert ein französischer Diplomat, der sein ganzes Leben lang im Fernen Osten verbracht hat, das Einsickern der Rotchinesen. Aber sie kommen nicht nur als bescheidene und fleißige Techniker, die sich volksverbunden zeigen. Ein anderer Arm Pekings trägt die Waffe in der Hand. Im südöstlichen Arabien sind heute kleine Gruppen chinesischer Experten in der Guerillakriegführung am Werk, um Stämme aufzuwiegeln, die die Herrschaft ihrer bisherigen Machthaber abschütteln wollen.

Da wird seit geraumer Zeit der Briefmarkenmarkt mit Ausgaben eines „Staates von Oman“ überschüttet, der überhaupt nicht existiert. Der Hintergrund: In einem Teil des Sultanates von Maskat und Oman, das noch unter britischem Schutz steht, haben sich Freischärlergruppen gebildet, die die Errichtung einer Volksrepublik in diesem Teil der arabischen Welt anstreben. Um die Kosten der eigenen Unterstützung für die Guerillas möglichst niedrig zu halten, haben die Chinesen auch in die Tasche der Philatelisten gegriffen. Diese sollen mit dem Ankauf wertloser Papierbildchen ihren Beitrag für die Finanzierung der Aufstandsbewegung leisten.

Das eigentliche Zentrum auf der arabischen Halbinsel, wo Sowjets und Chinesen miteinander konkurrieren, liegt zur Zeit in Aden. Die bis vor wenigen Jahren britische Kronkolonie, deren Hauptstadt Aden heißt, nennt sich heute „Südjemenitische Volksrepublik“. Bei jedem Regierungswechsel in Aden untersuchen die politischen Interessenten zuerst die Frage, ob sich unter den neuen Männern eine Tendenz zur Anlehnung an Moskau oder an

Peking bemerkbar macht. Aden kennt heute nicht nur die Botschaften der Sowjetunion und der Volksrepublik China, dort wehen auch die Fahnen der Vertretungen Nordkoreas, Nordvietnams, ja der Viet- konigs. Diese Anwesenheit von Ländern, die sich im Spannungsfeld zwischen Moskau und Peking durchzulavieren versuchen, hat ebenfalls vor allem einen Grund: Die Regierung in Pjönjang und Hanoi, wie die im Dschungel sitzenden Vietkongführer, möchten aus erster Hand wissen, wie sich Absichten und Verhalten der Sowjets und der Rotchinesen gestalten.

Die „Südjemenitische Volksrepublik“ hat freilich vorerst andere Sorgen: sie hat alle Hände in dem Bemühen gebunden, die Rebellion in Norden des Landes kurz zu halten, wo freiheitsdurstige Stämme nicht Willens sind, den Kommunismus, ja die Befehle einer Zemtral- regierung überhaupt anzunehmen. Die strenggläubigen Beduinen haben zur Kenntnis genommen, daß die neuen Männer in Aden die Gebote Mohammeds nicht mehr befolgen, ja eine Erziehung fordern, die den Islam zum Verschwinden bringen solL

Diese antikommunistische Befreiungsbewegung hat sich mit der Bitte um Unterstützung an die Nachbarn in Saudi-Arabien gewandt. Die Saudis geben Unterstützung durch Geld, Waffen, Munition und Ausbildung. Die Truppen Adens werden dagegen durch sowjetische Lieferungen und russische Berater unterstützt. Die Chinesen aber warten ab. So wenig sie das Königreich Saudi-Arabien als sympathisch empfinden mögen, sie haben ebenso kein Interesse daran, einer verstärkten Präsenz Moskaus auf der arabischen Halbinsel irgendeine Forderung zukommen zu lassen.

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