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Die Politik der zwei Hände

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Die Richtung des jetzigen außenpolitischen Kampfes der Volksrepublik China ist sehr deutlich: Peking beabsichtigt, einen vorläufigen Kompromiß mit Großbritannien und Frankreich zu erreichen und den Kampf auf die USA und die UdSSR zu konzentrieren. Peking zeigt Moskau und Washington seine beiden Fäuste, aber London und Paris sein freundlicheres Gesicht.

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Die Richtung des jetzigen außenpolitischen Kampfes der Volksrepublik China ist sehr deutlich: Peking beabsichtigt, einen vorläufigen Kompromiß mit Großbritannien und Frankreich zu erreichen und den Kampf auf die USA und die UdSSR zu konzentrieren. Peking zeigt Moskau und Washington seine beiden Fäuste, aber London und Paris sein freundlicheres Gesicht.

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Zum Geburtstag der Königin Elisabeth II. sandte Mao Tse-tung ein Grußtelegramm, eine französische Delegation unter dem Minister für Planung und Entwicklung wurde nach Peking eingeladen. Während des Besuches Betancourts in China sagte Tschu En-lai sogar: „Peking hat großes Interesse, die Beziehungen zu Paris zu vertiefen.“ Rotchina wünscht die Vereinigung Westeuropas mit Paris, London, vielleicht sogar Bonn als Zentrum. Es möchte einen Umweg über Paris machen, um aus seiner außenpolitischen Isolation herauszukommen und Einfluß auf Westeuropa zu erhalten. Deswegen haben auch die meisten westeuropäischen Staaten das Gefühl, die Außenpolitik Pekings sei wieder normal geworden. Diese Ansicht wurde durch die Wiederbesetzung mehrerer chinesischer Botschafterposten im Ausland und die Auflösung der Roten Garden gestärkt.

Der Kampf Pekings gegen Moskau und Washington wurde aber nicht gemäßigter. Dies wird sich auch nicht vorübergehend ändern. Die Grenzverhandlungen zwischen den beiden roten Riesen sind in eine Sackgasse geraten. China verstärkt zur Zeil seine Grenzverteidigung gegenübel Rußland durch die Formation einei Kommandantur für den Norden, dei die Militärregionen Mukden, Peking Innere Mongolei, Lantschou unc

Sinkiang unterstehen. Eine große Maßregelung des Militärpersonals, vor allem der höheren Militärfunk-' tionäre, ist in Nordwestchina im vollen Gange.

Peking möchte auch Belgrad und Bukarest fester an sich binden. Der neue chinesische Botschafter für Jugoslawien ist dort eben angekommen. Auch Tirana will bessere Beziehungen zu seinem Todfeind Jugoslawien einleiten — unter der Instruktion Pekings. Das alles verrät die Absicht Pekings, Moskau vom Osten und vom Westen her in die Zange zu nehmen. Besonders jetzt, da Bonn einen Nichtangriffsvertrag mit dem Kreml unterzeichnete und das SALT-Gespräch in Wien ebenfalls zum Vorteil Moskaus verlief, sowie angesichts der verstärkten Einflüsse Moskaus im Mittelmeer und-Nahen Osten, ist Moskaus diplomatische Position besser denn je. Peking sieht im Vertrag Bonn-Moskau ein Rapallo II, und eben deshalb möchte China mit den beiden alten Locarno-Mächten Großbritannien und Frankreich zu einem Einvernehmen kommen.

Von großer Bedeutung ist allerdings die Formierung einer „asiatischen antiamerikanischen und antisowjetischen Front“ durch Peking unter Beteiligung von Nordkorea, Nordvietnam, Vietkong, Pathet-Lao und Rot-Khmer, Pekings Plan ist „die Verteidigung im Norden und der

Vormarsch im Süden“ — die Politik der neuen militärischen Machthaber Chinas, die lieber Spannungen in Südost- und Nordostasien als einen Grenzkrieg mit der Sowjetunion riskieren. Diese neue Linie bedeutet „offenen Kampf gegen die USA und verdeckten Kampf gegen die UdSSR“.

Aber auch diesbezüglich betreibt Peking eine „Zwei-Hände“-Politik. Als die Grenzverhandlungen mit Moskau steckengeblieben waren und Kusnezow nach Moskau zurückkehrte, erteilte Rotchina das Agrement an den neuen sowjetischen Botschafter in Peking, Tolstikow. Es gibt Berichte, wonach Moskau einen neuen Chefdelegierten zur Verhandlung mit Peking entsenden werde. Außerdem gibt es noch eine dritt-klassige Grenzflußverkehrsverhandlung in Heiho sowie eine Wirtschaftsverhandlung zwischen Rotchina und der UdSSR in Chafoa-rowsk.

Den USA gegenüber betreibt Peking ebenfalls eine „Zwei-Hände“-Poli-tik: Einerseits läßt Peking seine Marionette Sihanouk eine Schattenregierung in Peking ausrufen und der rote Prinz pendelt zwischen Hanoi und Pjöngjang, um die antiamerikanische Achse in Ostasien zustande zu bringen. Mao Tse-tung seinerseits veröffentlichte eine antiamerikanische Erklärung und diesmal wurde der „Sowjetrevisionismus“ nicht einmal, wie üblich, scharf beschimpft, ganz als ob sich nun Rotchina tatsächlich auf eine feste anti-amerikanische Linie stellen wollte, Doch die Verhandlungen in Warschau wurden nicht völlig unterbrochen Das weitere Gespräch kann belebl werden, wenn die schlechte Atmosphäre wegen der US-Intervention in Kambodscha sich verzogen hat.

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