6824008-1974_02_06.jpg
Digital In Arbeit

To the point

Werbung
Werbung
Werbung

Langsam, Zug um Zug, legt die UdSSR ihren Sioherheitsgürtel um China; China strafft als Reaktion die Muskelstränge, richtet das Nervensystem einheitlich aus. Man spricht wenig; das ist ominös. Die Führung in Peking lenkt in ihrer Neu Jahrsbotschaft auf die Konflikte zwischen „Revisionisten“ und „Imperiallsten“, zwischen der UdSSR und den USA ab. Breschnjew erwähnt in seiner Neujahrsbotschaft China nur mittelbar.

Doch es sprechen die Tatsachen. Methodisch und pdamäßig bewaffnet die UdSSR ihre Verbündeten in Mittel- und Südasien weit über die aktuellen und lokalen Notwendigkeiten hinaus. Und China nimmt gleichsam über Nacht eine politische und militärische Reorganisation im gesamten Territorium vor.

Während die USA mit der Löschung der akuten Brandherde beschäftigt sind und Europa unter dem Bann der Folgen der Nahost-Krise verwittert — gruppieren Moskau und Peking ihre Kräfte in Süd- und Ostasien, die unstrukturierte und daher noch formbare „Dritte Welt“ ist das diplomatische Manöverfeld.

Langsam beginnen in Asien die Resultate des Breschnjew-Besu-ches in Delhi durchzusickern. Unter den Nachbarn Indiens — und nicht nur den feindlichen — spricht man von sowjetischen Rüstungskrediten zwischen 200 und 250 Millionen Dollar. Auf die Regierung von Bangladesh nimmt Moskau durch eine sowjet-<kom-munistische und eine andere, von Moskau gekaufte Regierungspartei, direkten Einfluß. Und in Pakistan ringt Moskau zäh um jeden Hauch von politischem, wirtschaftlichem Einfluß gegen die Chinesen. Über Breschnjews Plan der asiatischen kollektiven Sicherheit braucht nicht gesprochen zu werden, wo seine Verwirklichung beginnt.

Moskaus Aufrüstung der Verbündeten und Pekings — nirgends und von niemandem dementierte — Meldungen von stetig sich verdichtenden Truppenkonzentrationen entlang der sowjetisch-chinesischen Grenzen spiegeln än messerscharfer Konturklarheit Moskaus Strategie gegenüber der rivalisierenden kommunistischen Großmacht: Chinas innerpolitische Reorganisation auf eine kompromißlose Zentralisierung unter Kontrolle der politischen Führung spiegelt mit ebensolcher Klarheit Pekings Entschlossenheit, dem russischen Hauptfeind und der Hauptgefahr politisch und militärisch zu begegnen. Die Klarheit des Bildes hilft den anderen Staaten Asiens und Afrikas, ihre Positionen — oder rechtzeitig Deckung — zu suchen. Moskaus Erfolge im Nahen Osten und in Südasien beflügeln Chinas Bemühungen in den Staaten des politisch noch weniger als Asien strukturierten afrikanischen Kontinents.

Etablierte, starre Linksdiktaturen im Osten, verschärfte Rechtsdiktaturen im Südosten und im Südwesten Europas haben das demokratische Europa in einen Torso verwandelt. Die Ermüdung in endlosen Konferenzen und unter dem Druck der aggressiven Nahost-Naohbarschaft soll lösen, was den Torso noch zusammenhält. Setzte Peking in der Neujahrsbotschaft auf die Stärkung der Dritten Welt, so setzte Breschnjew in seiner Neujahrsbotschaft auf die Krise im Westen; auf ein Europa der finn-ipndisierten Vaterländer.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung