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Bayrische Peking-Oper

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Als Franz Josef Strauß vor rund zehn Tagen zu einer Reise in die Volksrepublik China auf brach, blieb diese Fahrt des CDU- Vor sitz enden zwar keineswegs unbeachtet, aber ein einmaliges politisches Ereignis vermochte darin niemand zu sehen.

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Als Franz Josef Strauß vor rund zehn Tagen zu einer Reise in die Volksrepublik China auf brach, blieb diese Fahrt des CDU- Vor sitz enden zwar keineswegs unbeachtet, aber ein einmaliges politisches Ereignis vermochte darin niemand zu sehen.

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Der ehemalige CDU-Außenminister Gerhard Schröder hatte mit seinem Besuch in China den Durchbruch für eine Annäherung von Bundesrepublik und China erreicht. Und nachdem mit Außenminister Scheel ein Bonner Regierungsmit- glied in Peking war und Hans-Dietrich Genscher, damals noch Innenminister, sich im Reich der Mitte die ersten außenpolitischen Sporen verdienen wollte, um sich als Amtsnachfolger Scheels zu qualifizieren, konnte die Reise eines bundesdeutschen Politikers in das Reich Maos nicht mehr als Sensation gewertet werden. Da CDU-Vorsitzender Helmut Kohl auch schon in China war, konnte Strauß nicht einmal den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, als erster prominenter Oppositionspolitiker nach Peking zu fahren.

Aber wie bei Strauß so oft, täuschte der Schein. Dieser für Überraschungen immer gute Politiker erreichte zusammen mit den in ihren Aktionen ebenfalls nur schwer abschätzbaren chinesischen Politikern, daß seine Visite in China in der Bundesrepublik ungemein viel Staub aufwirbelte und auch international eine ungewöhnliche Beachtung fand. Was zunächst noch unter der Devise „Ein Bayer in China” heruntergespielt oder belächelt wurde, (siehe „FURCHE”-Karikatur in Nr. 3/1975) gewann durch ein Gespräch zwischen dem Parteivorsitzenden Mao und Strauß sowie durch eine Unterredung mit Ministerpräsidenten Tschu En-lai ungeahnte Brisanz.

Ausgerechnet der rechteste unter den prominenten bundesdeutschen Politikern plauderte mit dem Idol der linken Studentenbewegung der ausgehenden sechziger Jahre. Die Ehre, die den Ministern aus Bonn nicht zuteil geworden war, wider - fuhr dem Parteivorsitzenden aus München. Der Schock über dieses Ereignis wurde zwar von der Regierung in Bonn gut überspielt, aber die Düpierung des Bundeskanzlers war evident. Schmidt selbst hatte eine Reise im ersten Halbjahr 1975 nach China geplant.

Dem Vernehmen nach soll bei der Vorbereitung dazu den Chinesen angedeutet worden sein, daß der Kanzler, über die Aufmerksamkeit Pekings für die Oppositionspolitiker etwas verärgert, durch besonders prominente Gesprächspartner von seinen politischen Gegnern abgehoben sein möchte. Dieser Wunsch muß nun nach dem Treffen Strauß-Mao als unerfüllbar betrachtet werden. Strauß hat Schmidt, salopp ausgedrückt, die Show gestohlen. Schmidt wird nur noch auf den Spuren des CDU-Mannes durch China fahren können und dabei immer befürchten müssen, hinter den Erfolgen von Strauß zurückzubleiben.

Das Treffen der beiden Parteivorsitzenden schockierte allerdings nicht nur die Regierung, sondern auch die Parteifreunde von Strauß. Der CSU - Vorsitzende war nämlich zweifellos erfolgreicher als der CDU-Vorsit- zende Kohl. Von Anfang an hatten die Chinesen Strauß als wichtigeren Gesprächspartner behandelt. Wo Kohl in Hotels absteigen mußte, residierte Strauß in Gasthäusern der Pekinger Regierung. Ein Mao Tse- tung oder Tschu En-lai waren für ihn nicht zu sprechen. In dem harten Wettkampf um die Kanzlerkandidatur hat Strauß im fernen Peking Kohl eindeutig überholt. Kohl wird es schwer haben, diesen Rückstand wieder aufzuholen.

In weiten Teilen der Bundesrepublik, und keineswegs nur in Kreisen von SPD und FDP, will sich über den Triumph von Strauß in Peking keine rechte Freude einstellen. Eher dominiert Besorgnis. Es ist keine vorschnelle Angst auf Grund der verärgerten Stimmen aus dem Ostblock, vor allem aus Moskau. Aber es muß doch die Gefahr gesehen werden, daß die Politik einer Annäherung der Bundesrepublik und Chinas, wie sie von Strauß und seinen chinesischen Gesprächspartnern betrieben wird, das Verhältnis zu Moskau ernsthaft trüben muß.

Die Haltung Moskaus muß aber Bonn wichtiger sein als jene Pekings. Denn die UdSSR liegt nicht nur geographisch weit näher als China, sie ist es auch, die für die nach wie vor nicht abgeschlossene Deutschland-Frage zuständig ist.

Auch Strauß weiß, daß man nicht- einfach mit der gelben Karte Chinas die rote Karte der Sowjetunion stechen kann. Ihm eine solche kurzsichtige Politik zu unterstellen, hieße ihn wieder einmal kräftig unterschätzen. Strauß sieht vielmehr in China eine Weltmacht, die in wesentlichen weltpolitischen Fragen eine ähnliche Haltung einnimmt wie er. Auch er weiß Westeuropa von Moskau und seinen Satelliten bedroht, auch er will dieses Westeuropa zusammen mit den USA gegen die aggressive UdSSR gestärkt und geeint wissen. Dabei wünscht Strauß eine Politik der Stärke und nicht eine so weitgehende Annäherung an die Sowjetunion, wie sie die Deutschland-Politik der Regierung Brandt- Scheel gebracht hat.

Dabei ist nicht zu übersehen, daß eine solche Politik, wie sie Strauß vorschwebt, für China entschiedene Vorteile brächte. Die Sowjetunion müßte verstärkt ihr Augenmerk dem Westen zuwenden. Die von China befürchtete Kooperation zwischen ÜdSSR und westlichen Mächten würde beendet oder verringert, der Druck auf China schwächer werden und eine Balance der Mächte zwischen USA plus Europa, UdSSR und Volksrepublik China eintreten.

Strauß hat daher mit seiner Reise nach China nicht nur vordergründig seine Kanzlerkandidatur vorbereitet, sondern auch Gelegenheit gehabt, seine außenpolitischen Vorstellungen klarzumachen und auch noch zu demonstrieren, daß seine weitaus entschiedenere Haltung gegenüber der Entspannungspolitik prominente internationale Zustimmung findet.

An dieser Visite von Strauß m Peking werden daher Freunde wie Feinde dieses Politikers noch lange zu kauen und zu rätseln haben. Die Linke wird dabei noch verkraften müssen, wie es geschehen konnte, daß ausgerechnet Mao Tse-tung ihren Intimfeind hofierte und damit klarmachte, was er von der modischen Attitüde der westlichen Mao- isten hält: Nichts.

Schlecht für unser internationales Renommee, schlecht für Österreichs Demokratie, wenn der Bundespräsident unter Umständen nach Kärnten fährt, die seine Reise nicht nur mit dem Odium parteipolitischer Wahlhilfe, sondern mit üblerem Geruch belasten. Denn was als Vorwahl-Fauxpas bald in Vergessenheit geraten wäre, gewinnt seine kaka- nisch-ostmärkische Dimension erst vor dem Hintergrund eines jungen und unbereinigten, handfesten Skandals. Da reist also ein Bundespräsident nach Klagenfurt, und in seinem Abglanz sonnt sich ein Landeshauptmann, der vor wenigen Tagen stolz damit geprahlt hat, daß er ein „hochgradiger Hitler-Junge” war, der mit den guten personellen Beziehungen zwischen SPÖ, Kameradschaftsbund und Heimatdienst glänzt.

Man drückt den Hitler-Jungen mit dem braunen Klecks jetzt an das öffentliche Herz.

Aber es stehen ja nicht nur Kärntner Landtagswahlen bevor. Wir wollen ja außerdem der Welt plausibel machen, daß man in der Slowenenfrage weiter mit uns reden könne.

Der stolze Hitler-Jungej mit dem nationalen Stammbaum wird der beste Gesprächspartner sein.

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