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Adenauer rät zur Mäßigung

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In einer Kabinettsitzung wurde die Verärgerung deutlich, so daß eich Adenauer bemüßigt sah, Strauß zur Mäßigung zu ermahnen. Noch glaubte Strauß, Erhard auf seine Richtung festlegen zu können, indem er die Härte der Gegensätze abzu- mildem versuchte. Aber er konnte den tief verärgerten Bundeskanzler nicht mehr bremsen. Wieder einmal machte die verfrüht zur Schau getragene Siegeszuversicht Strauß einen Strich durch seine grobgesponnenen Pläne. Er holte sich auf dem Parteitag in der Rede Erhards eine scharfe Abfuhr. Da half kein Anbiedern — „Unser Erhard!” —:Erhard verkündete klipp und klar, daß er die Politik der Regierung bestimme, Strauß zog sich auf die Formel zurück, daß der Bundeskanzler zwar die Richtlinien der Regierung, nicht aber die der Partei festzulegen habe. Dies sei Aufgabe der Parteivorsitzenden. Als er diese Version auf einer von Dufhues voreilig einberufenen Sitzung des Parteipräsidiums vertreten wollte, erhielt er seine zweite Abfuhr. Erhard weigerte sich an dieser Sitzung teilzunehmen, die daraufhin nicht zustande kam. Es kam lediglich zu einer Kabinettsitzung, an der Strauß teilnahm, mit seinen Thesen aber keine Beachtung fand. Damit war ein besonders schlau eingefädelter Plan geplatzt: Da Schröder nicht zum Vorstand der CDU gehört, hätte die Sitzung des Vorstandes Strauß und Adenauer Gelegenheit geboten, in der Abwesenheit von Schröder dessen Außenpolitik zu verurteilen.

Adenauers überraschend zurückhaltende Reaktion zeigte, daß er Strauß mit seiner Version von der Bestimmung der Politik durch die Parteivorsitzenden nicht folgen würde, was nicht heißt, daß Adenauer nicht zu einem günstigeren Zeitpunkt die Initiative wieder ergreifen wird. Nur weiß er als alter Wahlstratege, daß ein so tiefgreifendes Zerwürfnis in der Parteispitze im Jahr vor der Wahl nicht ohne Folgen bleiben kann. Es würde der FDP geradezu den Wahlslogan „Mit Erhard für eine vernünftige Politik” liefern. Diese Überlegung verfängt bei Strauß nicht. So paradox es klingen mag: Strauß ist an einem Wahlsieg der CDU nicht interessiert. Es kann daher als sicher gelten, daß von ihm die Diskussion um die Außenpolitik immer erneut angeheizt werden wird. Nachdem die Reste des bayerischen BHF. in der CSU aufgegangen sind und die Bayernpartei keine Rolle mehr spielt, weiß er, daß seine Partei vor 1965 vor einem Wahlsieg steht. Ein Sieg der CDU würde nur Erhard zugute kommen, während jeder Mißerfolg der Schwesterpartei seine eigene Stellung stärken würde. Er weiß daher, daß er mit seinem Kampf gegen Schröders Außenpolitik einen empfindlichen Nerv bei der CDU trifft. Damit rechnet offenbar auch de Gaulle. Denn gerade auf diesen Gegensatz spielte er auf seiner Pressekonferenz vom 23. Juli an, als er der Bundesregierung ein ganzes Sündenregister vorwarf, das in dem Vorwurf gipfelte, sie könne sich noch keine europäische und völlig unabhängige Europapolitik vorstellen.

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