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Politisches Urgestein

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Der Tod in der Politik hat etwas Seltsames, ja Bewegendes an sich. Man hält inne im politischen Alltag. Dies umso mehr bei Franz Josef Strauß, der wie kein anderer die Geschichte der Bundesrepublik geprägt und auf den jenes Zitat aus dem Neuen Testament im eigentlichen Sinn wohl zugetroffen hat: „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“

Franz Josef Strauß kannte nur Freunde und Feinde. Das war auch die Folge seines brillanten Denkens und Analysierens, seines immensen historischen Wissens und anderer Fähigkeiten, die ihn weit über den Durchschnitt der Berufspolitiker herausragen ließen. Als „politisches Urgestein“ wurde er in den Nachrufen oft bezeichnet.

Seit 1946 stand er, der gelernte Altphüologe und Historiker, in der Politik, baute ab 1956 die Deutsche Bundeswehr auf, stürzte 1962 über die Spiegelaffäre, wurde aber - seit 1961 CSU-Vorsitzender — 1965 Finanzminister in der Großen Koalition und konnte gemeinsam mit dem damaligen

SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller beachtliche Fortschritte erringen (mittelfristige Finanzplanung).

In der Zeit der Opposition bekämpfte er die sozialliberale Ost-Politik und machte es der Schwesterpartei CDU nicht leicht. Der Trennungsbeschluß von Wildbad Kreuth 1976 sitzt vielen in der CDU noch jetzt in den Knochen. Einer seiner größten Fehler war -inzwischen seit 1978 bayerischer Ministerpräsident —, im Jahr 1980 nach der Kanzlerschaft zu greifen. Er mußte sehen, daß seine Beliebtheit und Akzeptanz außerhalb Bayerns sich in Grenzen hielt.

Diese Niederlage ließ er andere spüren. Vor allem Bundeskanzler Helmut Kohl mußte es in zahlreichen Koalitionsgeplänkeln (zuletzt die Benzin-Steuerbefreiung für Privatflieger) erfahren. Uberraschenderweise blieb das letzte Sommertheater aus — war er einsichtiger geworden oder ahnte er vielleicht schon, daß auch das Leben Grenzen setzt?

Viele Anhänger und Wähler christlichdemokratischer Parteien außerhalb Bayerns, etwa in Österreich oder im Rheinland („Nordlichter“), wunderten sich immer über die hohen Erfolge der CSU in Bayern, die stets um 60 Prozent lagen. Denn sie fragten sich stets, ob sie auch CSU wählen würden, wenn sie in Bayern wären.

Strauß war in seinem politischen Denken und Handeln sehr stark von der Verantwortungsethik eines Max Weber geprägt. Und so kam es unweigerlich zu Konflikten mit jenen, die aus gesinnungsethischem Impetus Politik machen wollten: mit der SPD, den Grün-Alternativen, aber auch mit vielen Christen, die sich in der Umwelt- und Friedensbewegung engagieren. Für Österreich sei nur das Stichwort Wackersdorf genannt.

Die politische Bühne in der Bundesrepublik und vor allem in Bonn wird zweifelsohne ärmer an Einfällen, Ideen und auch an Spontaneität. Wie immer man zu Franz Josef Strauß gestanden ist, er wird gerade darin fehlen.

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