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CSU hält an ihren bundespolitischen Ansprüchen fest

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Vor der Sitzung der Strategiekommission der Unionsparteien, die in der ersten Dezemberhälfte auf Einladung der CDU stattfindet, klafft das Urteil über den Wert dieser Beratung bei CDU und CSU weit auseinander. Helmut Kohl hat deutlich zu verstehen gegeben, daß über die Strategie zur Bundestagswahl 1980 erst dann gesprochen werden sollte, wenn die Zeit für Beschlüsse reif sei. Dann müßten alle Möglichkeiten geprüft werden, um das Wählerpotential auszuschöpfen und dann könne man auch „über alles nachdenken“. In der CSU versteht man Strategie im Gegensatz zu Kohl scheinbar langfristiger.

Generalsekretär Tandler unterstrich, daß die überfällige Sitzung der paritätisch besetzten Kommission - sie war nach Kreuth als ein Kernstück des gegenseitigen Stillhalteabkommens ausgehandelt worden - für die CSU mehr sei „als lästige Pflichtübung“. In der Münchner Parteileitung, in der CSU-Landtagsfraktion wie auch in der Bonner Landesgruppe im Bundestag - die beiden letzteren trafen sich kürzlich zu einem ausführlichen Gedankenaustausch - ist man der einhelligen Auffassung, daß schon jetzt die Weichen für die Bundestagswahlen gestellt werden müssen. Im CSU- nahen „Bayern-Kurier“ war anläßlich des Jahrestags von Kreuth zu lesen: Die CSU ist „nicht gewült, auch für 1980 das Spiel dieser blinden Anti- Strategie mitzumachen“. 1972 und

1976 habe sie immer voreüige Siegesmeldungen von der CDU vernommen. Die jeweils folgende Wirklichkeit sei bekannt.

Nach Auffassung der bayrischen Union gibt es mehrere Punkte, die schon jetzt entschieden werden müßten. So drängt man in München beispielsweise auf eine stark verbesserte Organisation der CDU. Den eigenen, straff gegliederten und bis in kleine Ortsverbände strukturierten Parteiapparat vor Augen, findet die CSU bei der nördlichen Schwesternpartei „enorme Lücken“, die sich bei jedem Wahlkampf nachteilig auswirken würden. Außerdem besteht sie darauf, daß in der CDU das „endlose Warten auf die FDP“, das bei der linken Struktur der Partei- und Abgeordnetenbasis der Freien Demokraten sowieso hoffnungslos sei, definitiv ad acta gelegt werde.

Weiterer Angriffspunkt ist die „neue soziale Frage“, wie sie von Geissler und Blüm vertreten wird. Hier offenbart sich nach Meinung der CSU ein Trend zum ausgeprägten Sozialstaat,

der nicht nur mit der angestrebten Eigenverantwortung des Bürgers, sondern auch mit den finanziellen Verpflichtungen des Bundes unvereinbar sei. Aktuelle Beispiele dafür, wie die Opposition ihren Kredit und damit das Wählervertrauen verspiele, sieht man in München im glücklosen Agieren bei der Terrorbekämpfung. Kohl wird zudem vorgeworfen, er und die Seinen hätten es bisher versäumt, den Gegensatz von Schmidt und der von ihm betriebenen Politik mit der allgemeinen Richtung in der SPD gebührend herauszustreichen. Und schließlich möchte die CSU darauf hin weisen, daß in der gesamten Unionspolitik der Grundgedanke des Föderalismus wieder stärkere Beachtung findet.

Das Thema der Vierten Partei ist derzeit für die CSU nicht aktuell. Zwar gehört diese Drohung nach wie vor zu ihrem „Waffenarsenal“, aber mit etwas naß gewordenem Pulver. Denn vorerst geht es in Bayern darum, die Kommunalwahlen vom nächsten Frühling und die Landtagswahlen im kommenden Herbst mit einem sichtbaren Erfolg zu gewinnen. Und dafür sind Spaltungen oder gar das Auftreten der CDU als bayrischer Landesverband in jedem Falle hinderlich. Die vom früheren CSU-Stadtrat Uhl in Erlangen gegründete Christliche Wähler-Union (CWU), die sich im Oktoberunter dem Anspruch, das CDU-Pro- gramm zu vertreten - als Landesver band konstituierte und in einigen fränkischen Kommunen zur Wahl an- tritt, gibt vorerst keinen Anlaß zu größeren Schwierigkeiten. Ein Denkmodell des CSU-Landtagsabgeordneten Drachsler, der kürzlich mit der Möglichkeit spielte, die CSU insgesamt als Landesverband der CDU auszurufen, um Strauß eine reibungslosere Kanzlerkandidatur zu ermöglichen, stieß auf Ablehnung.

Das jüngste Drehen des Kanzler- Kandidaten-Karussels, an dessen Ende der CSU-Vorsitzende klarer denn je seine Anwartschaft auf den Posten des bayrischen Ministerpräsidenten anmeldete, war ebenfalls nicht im Sinne der CSU. Zwar entstand ein Artikel in der „Epoche“, in dem Dreg- ger als Bewerber für das höchste Regierungsamt vorgestellt und damit der Reigen eröffnet wurde, in München, aber die Äußerungen von Zimmermann, der daraufhin auch Strauß auf den Schild hob, waren mehr eine Reaktion als eine bewußt angesteuerte Aktion.

Nahziel ist jetzt ein mit außenpolitischem Chrisma gesalbter Ministerpräsident Strauß, der so zunächst bei den Europawahlen und dann bei den Bundestagswahlen mehr als Staatsmann denn als Buhmann auftreten kann. Der nach Kreuth verbriefte und jetzt nur „überlagerte“ bundespolitische Anspruch der CSU ist geblieben.

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