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Wieder Streit in der Union

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Ein gelegentlich klägliches, auf jeden Fall seltenes Schauspiel bieten die Unionsparteien seit der bundesdeutschen Bundestagswahl. Nachdem sie sich noch am Wahlabend als Sieger gebärde-ten und aggressive Zuversicht ausstrahlten, liegen sie jetzt gebeutelt am Boden. Nicht der politische Gegner hat sie dahin gebracht, sondern ein Akt jener beinahe schon klassischen Selbst-zerfleischung, der die letzten Jahre der Union immer wieder bestimmt hat.

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Ein gelegentlich klägliches, auf jeden Fall seltenes Schauspiel bieten die Unionsparteien seit der bundesdeutschen Bundestagswahl. Nachdem sie sich noch am Wahlabend als Sieger gebärde-ten und aggressive Zuversicht ausstrahlten, liegen sie jetzt gebeutelt am Boden. Nicht der politische Gegner hat sie dahin gebracht, sondern ein Akt jener beinahe schon klassischen Selbst-zerfleischung, der die letzten Jahre der Union immer wieder bestimmt hat.

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CSU und CDU haben wieder das Kriegsbeil ausgegraben. CSU-Ohef Strauß, von seinem günstigen Wahlergebnis in Bayern beflügelt, greift an und ist ohne Rücksicht auf Verluste bemüht, die Union auf den für ihn richtigen Weg au bringen.

Dde Fakten des Konflikts sind schnell dargestellt: Im Norden schnitt die Union verhältnismäßig schlecht ab, was Strauß dazu veranlaßte, öffentlich über die schwächlichen „Nordlichter“ au meditieren, die mit ihrer liberalen und laxen Haltung der Union den Wahlsieg gekostet hätten. Hätte die Union auch im Norden — meint Strauß — die Alternative „Freiheit statt Sozialismus“ den Wählern gnadenlos eingehämmert, so wäre auch dort der Anteil der Union höher gewesen.

Nun sind kundige Beobachter der Meinung, daß man ebensogut umgekehrt argumentieren könnte. Wären Strauß und sein „rechter“ Wahlkampf nicht gewesen, sagen sie, hätte die Union im Norden besser abgeschnitten. „Wäre Strauß nicht in der Union, man könnte sie wählen“, lautet die Überzeugung vieler Wähler im Norden. Dazu kam, daß auch die von Kohl als zukünftiges Kabinett aufgebotene Mannschaft nicht eben von „Nordlichtern“ erstrahlte.In den klassischen Ressorts wurde nur für Stoltenberg aus Kiel ein Platz freigehalten. Sonst spielte der Norden eine geringe Rolle.

Wobei es nicht vordergründig geographische Umstände sind, die einer solchen einseitigen Gewichtung Bedeutung verleihen. Der Norden repräsentiert auch mehr Liberalität, er ist konfessionell anders orientiert. Dies alles wußte offensichtlich der politische Gegner besser als die Union selbst. Schmidt trommelte in seinem Wahlkampf unermüdlich, daß in der Union nur eine bestimmte Gruppe das Reden habe und nannte dafür stellvertretend die Namen Strauß und Dregger.

Nun wird wieder der Gedanke einer bundesweiten CSU verbreitet und die Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU problematisiert. Es ist ein erstaunliches Phänomen, wie diese Unions-Schreckgespenster immer wieder auftauchen und wie sie immer wieder ihre Wirkung tun. Die Verwirklichung beider Pläne könnte die Union in einer Weise schädigen, daß sie wohl für lange Zeit, wenn nicht für immer von der Macht Abschied nehmen könnte.

Und Kohl? Der „schwarze Riese“ scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, die SPD-Parole, er sei eine Marionette von Strauß, schnell bestätigen zu wollen. Gerade durch seine Versuche, dem Bayern Paroli zu bieten, gibt sich Kohl immer neue Blößen. Er stellt Forderungen auf, wie die, daß die Fraktionsgemeinschaft bis zum Ende der Legislaturperiode vereinbart werden müsse, um es schließlich hinzunehmen, wenn diese Forderungen nicht erfüllt werden.

Vor eine noch härtere Belastungsprobe, als in der Frage der Fraktionsgemeinschaft, stellt Strauß die Schwesterpartei in der Frage einer Partnerschaft mit der FDP. Im Saarland und in Niedersachsen, wo die CDU-Regierungen über keine Mehrheit verfügen, ist die Union auf eine Koalition mit den Freien Demokraten angeweisen. Als Konzession dafür müßte sie anbieten, daß diese Länder im Bundesrat nur in Abstimmung mit der FDP abstimmen. Dies würde bedeuten, daß die Union im Bundestag nicht immer mit einer sicheren Mehrheit rechnen könnte. Der Versuch, den Bundesrat zu einer zweiten Kammer mit CDU-Übergewicht umzugestalten, wäre dann gescheitert. Dieser Hebel, die schwache SPD/ FDP-Mehrheit im Bundestag über ein Bundesrat-Veto aus der Angel zu heben, müßte beiseitegelegt werden, ehe er noch angesetzt wurde.

Straußens unerbittliche Haltung in dieser Frage, seine Forderung nach einer harten Konfrontation mit der FDP, brächte, wird sie für die Union zur Grundhaltung, nicht nur die Landesregierungen in Saarbrücken und in Hannover in Schwierigkeiten. Der Union würde auf diese Weise auch auf lange Zeit jede Aussicht verstellt, mit der FDP zu einer Koalition zu kommen. Daß ohne diese Partei keine Regierung mehr gebildet werden kann, solange die Union die 50-Prozent-Grenze nicht zu überspringen vermag, will Strauß nicht zur Kenntnis nehmen.

Bei Koalitionen mit der FDP auf Landesebene aber rechnet sich die CDU eine doppelte Chance aus. Zum einen würde sie damit vorexerzieren, daß eine bürgerliche Koalition möglich ist. Sie könnte aber auf diese Weise auch die FDP in große Schwierigkeiten bringen. Denn viele Wähler könnten sich dann von der FDP abwenden, weil sie in ihr wieder eine „Umfallerpartei“ sehen. Damit aber wäre vielleicht die einzige Möglich-ket gegeben, daß die Union allein an die Macht kommt — dann wenn die Liberalen unter die Fünf-Prozent-Grenze absinken. Statt die FDP auf diese Weise in Schwierigkeiten zu bringen, schlägt Strauß jedoch den Frontalangriff vor.

Das Nachiwahlverhaiten der Unionsparteien scheint auf jeden Fall dazu zu führen, daß der schwache „Sieger“ der Bundestagswahl, Sozial- und Freidemokraten, in Ruhe seine Wunden lecken und heilen kann.

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