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Nun kommt also die von CDU und FDP angestrebte schwarz-gelbe Koalition. Aber vor allem die Union müsste deutlich sagen, was sich gegenüber der bisherigen Zusammenarbeit mit der SPD denn substanziell ändern soll.

Angela Merkel hat erreicht, was sie wollte. Jetzt hat sie ein Problem. Es ist das Problem von Kontinuität und Bruch, das ihr noch gehörig zu schaffen machen wird, ja, jetzt schon zu schaffen macht, bevor die (Wunsch-)Regierung mit der FDP überhaupt noch gebildet ist. Seit dem Wahlabend wird Merkel nicht müde zu versichern, dass sie dieselbe geblieben sei und bleiben werde; nein, sie werde nicht auf einen „neoliberalen“ Kurs einschwenken, auf die soziale Balance vergessen, der FDP (zu weit) entgegenkommen und dergleichen mehr, tönt es unentwegt.

Völlig zurecht zeigte sich SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier in der Berliner TV-Elefantenrunde nach geschlagener Wahl darob einigermaßen erstaunt: Die Kanzlerin möge doch bitte nicht so tun, als führe sie die Politik der Großen Koalition einfach weiter. Genau das freilich wünschen sich viele in der Union (wobei die CSU noch einmal ein Fall für sich ist – dort macht man Druck in puncto Steuersenkung, pflegt aber andererseits wieder gerne das Image des „sozialen Gewissens“ der Union).

Die CDU des Wahlkampfs 2005

Andere bei den Christdemokraten – unter ihren Wählern mit Sicherheit jene, die ihre Zweitstimme der FDP gegeben haben – hoffen indes auf einen Kurswechsel. Sie wollen wieder mehr von jener CDU und jener Merkel des Leipziger Parteitags 2003 und des in diesem Sinne geführten Wahlkampfs 2005, fordern also ein reformorientiertes, stärker wirtschaftsliberal akzentuiertes Profil der Partei. (Nicht zuletzt weil die CDU damals Angst vor der eigenen Courage bekommen hatte und den zuvor als Symbolfigur auf den Schild gehobenen Paul Kirchhof unter dem Eindruck von Gerhard Schröders Attacken – „Dieser Professor aus Heidelberg“ – im Regen stehen ließ, hätte sie ihren sicher scheinenden Wahlsieg 2005 beinahe verspielt.)

Was Merkel selbst will, weiß niemand – vielleicht nicht einmal sie selbst. Aber da sie nun einmal – ob aus Überzeugung oder nicht – vor der Wahl klar gesagt hat, sie strebe eine andere Koalition, eine Regierungszusammenarbeit mit der FDP an, wird sie wohl nicht einfach an „more of the same“ gedacht haben. Statt die Besorgten in den eigenen Reihen mit Beschwichtigungsrhetorik ruhig zu halten, müsste sie nun (eigentlich hätte sie es schon längst tun müssen) erklären, mit welchen Zielen und zu welchem Zweck sie ein konservativ-liberales Bündnis eingehen will. Die formale Absicht gälte es, mit konkreten Inhalten zu füllen – und diese Inhalte wären dann offensiv gerade den Skeptikern und Kritikern in den eigenen Reihen zu kommunizieren (gewesen).

Wie auch immer, FDP-Chef Guido Westerwelle wird auf die innere Befindlichkeit Merkels und ihrer Partei wenig Rücksicht nehmen. Er wird, stark wie noch nie, personelle und substanzielle Forderungen auf den Tisch legen – und gegebenenfalls die Kanzlerin fragen, was sie sich denn eigentlich von einem Koalitionswechsel erwartet habe, wenn nicht inhaltliche Neuausrichtung. Wie sehr die Liberalen eine solche dann tatsächlich durchsetzen können, bleibt abzuwarten – schließlich ist ja auch Westerwelle auf Merkel angewiesen.

Echte politische Alternativen

Dankbar oder neidisch nimmt man als Österreicher indes zur Kenntnis, dass es überhaupt zu einer solchen Koalitionsansage gekommen ist. Denn infolge derer stehen einander nun im Bundestag zwei politische Lager gegenüber, die – bei allen Unterschieden – in Grundsatzfragen doch relativ homogen erscheinen und somit wirkliche Alternativen für die Bürgerinnen und Bürger darstellen. In Österreich fehlt dafür vor allem jene liberale Kraft, die das BZÖ nie werden wird, auch wenn sich der Kärntner Jörg-Haider-Gedenkverein noch eine Zeit lang einen Bundesobmann hält. Auf der anderen Seite könnte auch hierzulande eine Linkspartei das Spektrum bereichern – als Avantgarde böte sich einmal mehr die Steiermark mit den Protagonisten Kurt „Oskar“ Flecker und Ernest „Gregor“ Kaltenegger an. Und auch Erich Haider sollte dort, etwa als Schriftführer, beruflichen Unterschlupf und ideelle Heimat finden.

* rudolf.mitloehner@furche.at

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