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Abschied vom „Volkskanzler“?

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Der Eindruck, daß Bundeskanzler Prof. Ludwig Erhard sich von den Scharfmachern seiner Partei auf einen neuen Kurs drängen ließ, hat sich Mitte März auf dem Parteitag der CDU in Hannover weiter verstärkt. War doch das auffallendste die verärgerten, mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen Angriffe Erhards auf die Sozialdemokratie, die ihm zwar den Beifall des Fußvolkes der CDU eintrugen, insgesamt aber einen eher peinlichen Eindruck hinterließen. Vom Ideal eines über den Parteien stehenden Volkskanzlers war jedenfalls Erhard in dem halben Jahr seiner Kanzlerschaft noch nie so weit entfernt wie in Hannover. Da Dr. Konrad Adenauer wieder zum Parteivorsitzenden gewählt wurde, das Amt des Bundeskanzlers also von dem des Parteivorsitzenden getrennt blieb, scheint dieser plötzliche Eintritt in die Niederungen des Parteikampfes nicht ganz motiviert.

Offenbar ist jedoch Erhard, der nur schlecht Kritik verträgt, mit seiner bisherigen Politik auf einen größeren Widerstand innerhalb seiner Partei gestoßen, als er erwartet hatte. Es war vorherzusehen, daß Erhard mit seiner bisher eingehaltenen Linie herbe Kritik bei denjenigen Anhängern der CDU erfahren würde, die in Übernahme überlebter Kreuzzugsideen im kalten Krieg einen politischen Wert an sich und in der SPD eine Art getarnter Kommunisten erblicken. Die Verschiebungen innerhalb der CDU in den letzten Jahren, insbesondere das Aufsaugen stockkonservativer und rechtsgerichteter Parteien, wie der BHE und die Deutsche Partei, brachten es mit sich, daß Erhard innerhalb seiner Partei auf einen härteren Widerstand stoßen mußte, als dies vor wenigen Jahren noch der Fall gewesen wäre. Es hat auf dem Parteitag mehrere Anzeichen solch rechtsgerichteter Verhärtungen gegeben, die wohl auch den Organisator der Partei, Dufhues, in den letzten Jahren zu einem Kurs zwangen, der ihm selbst nicht immer ganz sympathisch war. Der hier deutlich werdende Trend ist in vielen Äußerungen der Partei zu spüren. So werden zum Beispiel kritische Sendungen in Rundfunk und Fernsehen mit Gründen verdammt, die einer Mentalität vergangen geglaubter Zeiten zu entspringen scheinen. Diese zunehmende Feindschaft gegen Intellektuelle zeigte sich auch auf dem Parteitag, als das vom Bundestagspräsidenten Gerstenmaier arrangierte Streitgespräch mit Intellektuellen aus den Reihen der Delegierten höchst abschätzig behandelt und kaum besucht wurde.

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