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Schwarzer Riese

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Ihr Personalproblem, zu dem die Niederlage der CDU bei der letzten Bundestagswahl geworden war, hat die Unionspartei gelöst: Ohne Elan, ohne zu großen Enthusiasmus hob sie Helmut Kohl aufs Schild und entließ den Verlierer Rainer Barzel unter knapper Wahrung des Anstands aus der Verantwortung. Ob sich mit diesem Wechsel in der Führung, wie er auf dem eintägigen Mini-Parteitag schnell vollzogen wurde, eine Wende in der nach der Wahlnied'!;'?0' vom vergangenen Jahr doch recht glücklosen Oppositionspoütik der CDU anbahnt, muß trotz aller unverkennbaren Unterschiede zwischen Barzel und Kohl offen bleiben.

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Ihr Personalproblem, zu dem die Niederlage der CDU bei der letzten Bundestagswahl geworden war, hat die Unionspartei gelöst: Ohne Elan, ohne zu großen Enthusiasmus hob sie Helmut Kohl aufs Schild und entließ den Verlierer Rainer Barzel unter knapper Wahrung des Anstands aus der Verantwortung. Ob sich mit diesem Wechsel in der Führung, wie er auf dem eintägigen Mini-Parteitag schnell vollzogen wurde, eine Wende in der nach der Wahlnied'!;'?0' vom vergangenen Jahr doch recht glücklosen Oppositionspoütik der CDU anbahnt, muß trotz aller unverkennbaren Unterschiede zwischen Barzel und Kohl offen bleiben.

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Der Berg der Probleme, der sich vor der CDU aufgehäuft hat, ist beachtlich. Auch der Polit-Herkules Kohl mit seiner schon sprichwörtlich (gewordenen Körpergröße (1,93 Meter) wird lange Zeit brauchen, um die Partei wieder in Schwung zu bringen.

Parteiintern muß Kohl und seine neue Mannschaft — prominentester unter ihnen Generalsekretär Professor Biedenkopf — den von Barzel eigenwillig auf seine Person zugeschnittenen Parteiapparat in den Griff zu bekommen. Dies bedeutet vor allem, daß die Kommunikation innerhalb der CDU und ihrer Spitzen besser werden muß. Barzels Geheimpolitik mit einem kleinen Kreis engster Berater dürfte der Vergangenheit angehören. Kohl ist hier sicher der richtige Mann für die Veränderung: pragmatisch, kommu-nikaitionsfreudig und zur Zusammenarbeit mit vielen Mitarbeitern bereit. Da er außerdem sein Ministerpräsidentenamt in Rheinland-Pfalz nicht vernachlässigen will (eine Wahlniederlage in seinem Bundesland würde die Hoffnungen auf die Kanzlerkandidatur zunichte machen) muß er auch im Sinne einer Arbeitsökonomie die Kooperation und Aufgabendelegierung suchen.

Die Aufgaben, die sich die Partei in nächster Zeit stellt, werden dabei immer größer. Eine erstaunlicherweise ständig wachsende Mitglieder-Zahl, der unfreiwillige Verzicht auf die früher den Parbeiapparat ersetzende Regierungsmaschinerie sowie die Klärung und Programmentwicklung in zahlreichen politischen Fragen (Mitbestimmung, Gewinnbeteiligung, Familienpolitik usw.) verlangen harte Parteiarbeit. Die große neue Parteizentrale — das Konrad-Adenauer-Haus— verlangt nun endlich auch nach einer organisatorischinhaltlichen Füllung.

Nach außen muß Kohl versuchen, zusammen mit dem neuen Fraktionsführer der CDU/CSU, Carstens, eine aktive Oppositionspolitik in Gang zu bringen, nachdem diese in

der Ära Barzel zunehmend versandete. So willkommen ein „Fall Steiner“ auch sein mag, um der Regierungskoalition endlich am Zeug zu nicken, so wird diese dubiose Geschichte, deren zentrale Figur — nicht zu vergessen — ein ehemaliger Unionsabgeordneter ist, auf die Dauer die CDU nicht davon befreien, in den Sachfragen im Parlament ein Kontrastprogramm zu entwickeln. Dies setzt natürlich viel interne Arbeit in der Partei voraus. Die immer mehr auseinanderstrebenden Flügel der Partei müssen gestutzt werden. Kohl muß integrierend wirken und dabei zugleich doch eine klare Linie entwickeln.

Dies wird sicher nicht mit jenem hohen Maß an „Theorie“ erfolgen, wie es etliche in der Partei wünschen und vor allem immer wieder Kritiker außerhalb der Partei verlangen. Kohl ist kein Theoretiker — seine Reden vor der Wahl zum Parteivorsitzenden haben dies noch einmal besonders deutlich gemacht. Aber er sollte — in Rheinland-Pfalz hat er dies gezeigt — doch dazu fähig sein, die Ergebnisse theoretischer Überlegungen von Beratern und Gruppen soweit zu verarbeiten, daß eine deutliche Politik daraus wird.

Um eine solche verwirklichen zu können, müßte jedoch in der CDU auch der ständigen Intrige, Folge der Unsicherheit in der noch nicht gefundenen Oppositionsrolle, ein Ende bereitet werden. Barzel mahnte die Parteitagsdelegierten bei seinem Abschied, mit dem Gerangel ein Ende zu machen. Sollte es anhalten, müßte womöglich auch Kohl auf jene kompromißlerische Linie einschwenken, mit der sich Barzel an der Spitze zu halten können glaubte und doch selbst zu Fall brachte. Schon zeigten sich bei Kohl vor dem Parteitag gewisse Tendenzen zur Farblosigkeit, wirkte er ein wenig wie ein Mann, der es jedem recht machen will.

Die hohe Stimmenzahl könnte ihm bestätigen, daß er wirklich die deut-

liehe Mehrheit der Partei hinter sich hat. Wie lange die Solidarisierung mit dem neuen Parteivorsitzenden anhält, von der einige — etwa „Linksaußen“ Katzer — schon offen sagten, daß sie angesichts der momentanen Situation der CDU nur aus „Pflicht“ erfolgte, anhalten wird, ist unsicher. Der donnernde Applaus, den Fraktionsführer Carstens erhielt, zeigt, daß sich die Sympathien nicht monopolartig auf Kohl konzentrieren.

Bedenklich für eine weitere Laufbahn Kohls mag vor allem der Triumph von Gerhard Stoltenberg gewesen sein, der als stellvertretender Parteivorsitzender 557 Stimmen erhielt. Hier könnte sich eine Polarisierung andeuten, die bei der Wahl des Kanzlerkandidaten Spannungen auslöst. Noch ist der Zeitpunkt nicht gekommen, und noch betont Kohl, daß es ihm jetzt ausschließlich darum gehe, ein guter Vorsitzender zu sein. Über die Kanzlerkandidatur könne man sich später unterhalten.

Auf jeden Fall hat er sie nicht selbstverständlich in der Tasche. Ein selbstbewußter gewordener Parteitag behält sich die Entscheidung vor. Sollte der nicht eben Charisma besitzende Kohl nicht sachlich viel Erfolg anbieten können, wäre in Gestalt Stoltenbergs ein emsthafter Konkurrent vorhanden. Sicher wird dabei die Schwesternpartei CSU auch noch ihr Wort mitreden. Ihr gegenüber zu einem klaren und ausgewogenen Verhältnis zu kommen, wird nicht nur unter diesem Apsekt für Kohl entscheidend sein. So viel Zeit hat der „Schwarze Riese“, wie Kohl immer wieder genannt wird, dafür nicht, auch wenn die nächste Bundestagswahl erst 1976 ist. Denn, so der zurückgetretene Generalsekretär Kraske auf dem Parteitag in Bonn: „Der Bundestagswahlkampf hat bereits begonnen.“

Die Wiener Festwochen sind, was ihre Beurteilung durch Publikum und Presse betrifft, ausgegangen, wie das Hornberger Schießen: Befriedigung und Unbehagen hielten sich ungefähr die Waage. Natürlich neigte der für das Programm Verantwortliche, der Herr Festwochenintendant, mehr zu einer positiven Beurteilung. Er gab einige Pannen zu, machte aber für das teilweise Mißlingen den Umstand verantwortlich, daß eben nun einmal das Leben in einer Großstadt wie Wien immer schwieriger werde.

Wem sagt er das? Mit gelungenen oder mißlungenen Aufführungen hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun. Ein echtes Problem ist die ungeheure Massierung. (Weniger wäre mehr!) Ein anderes Problem ist das Publikum, das bei wichtigsten, interessantesten Veranstaltungen die Gefolgschaft versagte. Und mit der Wiener Kritik ist auch nicht gerade gut Kirschen essen. Auch das ist nichts Neues...

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