6743946-1966_52_06.jpg
Digital In Arbeit

Durchbruch mit Fragezeichen

Werbung
Werbung
Werbung

Nur eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise wird die Ursache der lange anhaltenden Bonner Regierungskrise im Rücktritt der FDP- Minister im November 1966 sehen. In Wirklichkeit kam hier eine lang andauernde Führungskrise innerhalb der CDU zum Ausbruch, die ihre Ursache in Richtungskämpfen verschiedener Art und nicht zuletzt in Bundeskanzler Ludwig Erhard selbst hatte. 1965 durch einen sensationellen Wahlsieg bestätigt, hat Erhard nie die Kraft gefunden, die in diesem Wahlsieg steckenden Möglichkeiten auszunutzen. Trotz seines Wahlsiegs ließ er sich eine Zusammensetzung seines Kabinetts aufzwingen, in der kaum ein neuer Ansatz zu erkennen war. Die schwere Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen im Juli dieses Jahres leitete dann die lange-Phase der -Agonie dieses Kabinetts ein.

Da jedoch das sogenannte konstruktive Mißtrauen den Sturz eines Kabinetts nur bei gleichzeitiger Wahl eines neuen Kanzlers zuläßt, so schleppte sich das Kabinett weiter hin. Der intrigenreiche Kampf in den eigenen Reihen wurde durch die Unmöglichkeit verschärft, den Haushalt 1967 auszugleichen. Als Erhard aus einem zu seiner Entlastung unternommenen Amerikabesuch mit neuen schweren Belastungen aus dem Devisenausgleich zurückkam, der den Ausgleich des Haushaltes endgültig unmöglich machte, war seine Lage verzweifelt geworden. Der Bundesrat weigerte sich überhaupt, den Haushalt zu diskutieren. Es war eindeutig, daß niemand mehr auf Erhard setzte. Dabei war zu diesem Zeitpunkt der wirkliche Ernst der Bundesfinanzen noch gar nicht bekannt. Der Austritt der FDP- Minister beendete das unerquickliche Schauspiel.

Überraschender Kulissenwechsel

Hätte man zu diesem Zeitpunkt Bilanz gezogen, sie hätte für die von der CDU seit 17 Jahren geführte Politik düster ausgesehen. Die Bundesfinanzen zerrüttet, das Land mit allen Zeichen einer beginnenden

Wirtschaftskrise geschlagen, die sowohl die Sozialpolitik bedrohte wie die Unmöglichkeit der so liebevoll gehätschelten Verteidigungspolitik und der geplanten Notstandsgesetze erwies; außenpolitisch isoliert und innenpolitisch in steigender Unruhe schien die Bundesrepublik leicht einer Katastrophe zuzutreiben. Die Kabinettskrise trug alle Anzeichen einer allgemeinen Krise, in der die •CDU kaum Oberlebenschancen be- saß.

• Zunächst einmal erwiesen sich einige Prämissen als falsch, die man der CDU/CSU gestellt hatte. Wider alle Erwartung kam es über die Nachfolge Erhards nicht zu Diadochenkämpfen. Unter maßgeblicher Beteiligung der CSU wurde in Kurt Georg Kiesinger ein Kandidat gefunden, der alle innerparteilichen Kämpfe zum Schweigen brachte. Zwar hatte sich gezeigt, daß Gerhard Schröder eine starke Anhängerschaft besaß. Doch war Schröder diszipliniert genug, die Wahl Kiesingers nicht anzufechten, während der aalglatte und listenreiche Fraktionsvorsitzende Rainer Barzel, einer der Hauptintriganten gegen Erhard, eine so deutliche Quittung für sein Verhalten erhielt, daß er keine Basis mehr für den Kampf um die Macht hatte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung