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Duell in Deutschland

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In der Bundesrepublik Deutschland ist seit dem Besuch des französischen Staatschefs General de Gaulle in Bonn am 3. Juli ein heftiger Streit um die Gestaltung der deutschen Außenpolitik entbrannt. De Gaulle war gekommen, um im Hinblick auf das bestehende deutsch-französische Freundschaftsabkommen — Konrad Adenauers letztes und umstrittenstes Werk eine enge Zusammenarbeit der beiden großen Nachbarvölker zu vereinbaren. Da Ludwig Erhard und Bundesaußenminister Dr. Gerhard Schröder, wie sich nach de Gaulles Pressekonferenz vom 23. Juli erwies, nicht zu Unrecht dahinter eine Spitze gegen Amerika vermuteten, fand de Gaulle in Bonn keine Gegenliebe. Die Gespräche mit Erhard hielten sich in kühl-distanziertem Rahmen. Um so mehr Interesse zeigte Altbundeskanzler und Parteivorsitzender Konrad Adenauer, bei dem sich de Gaulle so verplauderte, daß Erhard zwanzig Minuten auf seinen Gast warten mußte. Von Adenauer und von dem Parteivorsitzenden der CSU, Franz Joseph Strauß, ging auch jene heftige, auf eine enge deutsch-französische Zweierunion abzielende Offensive aus, die der deutschen Innenpolitik in der letzten Zeit ganz unsommerlich einige Farbe verlieh.

Fs ging und geht dabei nicht nur um die Richtung der deutschen Außenpolitik. Dahinter steht der Gegensatz zwischen Außenminister Schröder und dem ehemaligen Bundesverteidigungsminister Franz Joseph Strauß. Strauß hat Schröder weder seine Haltung während der „Spiegel”-Affäre noch die Lektion vergessen, die ihm dieser in seiner Rede vor dem evangelischen Arbeitskreis in München am 3. April dieses Jahres erteilt hat. Der bullige, temperamentvolle Bayer, der sich immer wieder in Skandale verstrickt, läßt sich von der eiskalten Verachtung, mit der ihm Schröder begegnet, bis zur Weißglut reizen. Die Haltung von Strauß richtet sich aber nicht nur gegen Schröder, auch wenn dieses sein beliebtestes Ziel ist. Der Streit muß auch im Rahmen der Bemühungen gesehen werden, mit denen sich Strauß seinen Wiederaufstieg in der Bundesrepublik erkämpfen will. So geraten sachliche und persönliche Argumente durcheinander, was mitunter den Überblick etwas erschwert.

Strauß’ neue Chance

Nach seiner Rückkehr aus Bonn hat sich de Gaulle am 5. Juli nicht enthalten können, seine Verstimmung über die deutsche Haltung lautwerden zu lassen. Er hoffte damit, die auf seiner Seite stehende Opposition innerhalb der CDU/CSU zu ermutigen. Für Strauß bot sich dabei eine einzigartige Chance, sich in Szene zu setzen. Der Parteitag der CSU in München am 11. und 12. Juli schien Strauß das richtige Forum zu sein, um Erhard auf die Idee einer Zweierunion zwischen Deutschland und Frankreich festzulegen. Nicht eben sehr taktvoll benutzten Adenauer und Strauß einen zweitägigen Staatsbesuch Erhards in Dänemark, am 8. und 9. Juli, um ihre abweichenden außenpolitischen Vorstellungen vor der deutschen Öffentlichkeit darzulegen. Sie protestierten gegen Erhards Haltung gegenüber de Gaulle und verlangten unverzüglich Schritte zur Verwirklichung der von de Gaulle befürworteten Zweierunion.

Es ist schwer abzuschätzen, wen Adenauer und Strauß innerhalb ihrer Partei bei diesem Coup hinter sich hatten. Neben Sonderminister Krone war es besonders der geschäftsführende Vorsitzende der CDU, Dufhues, der sich in dieser Richtung hervortat. Wenn Adenauer und Strauß ihre Rechnung darauf abgestellt hatten, Erhard einschüchtern zu können, so hatten sie sich getäuscht. Seit Adenauer 1959 während der Präsidentschaftskrise eine kurze Abwesenheit Erhards zu einer üblen Brüskierung ausgenutzt hatte, ist dieser auf derartige Intrigen besonders empfindlich. So erklärte er unmittelbar bei seiner Rückkehr noch auf dem Bonner Bahnhof, daß er sich seine Außenpolitik von niemandem vorschreiben lassen werde.

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