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Auf Papens Spuren?

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Historische Analogien stimmen nie ganz. Und so mag auch bei diesem Vergleich manches schief bleiben, was in erster Linie als Warnung gedacht ist. Vor 28 Jahren, am 20. Juli 1932, ließ der damalige deutsche Reichskanzler Franz von Papen die sozialdemokratische Regierung des Landes Preußen absetzen und durch Reichswehr verhaften, um dieses mächtigste Bundesland in seine Hand zu bekommen. Er gab damals dem deutschen Föderalismus den Todesstoß, der im Endkampf um Hitlers Machtergreifung als letzter Rückhalt ausfiel. Konrad Adenauer hat am 26. Juli dieses Jahres die Bundeswehr nicht bemüht und auch keine Minister verhaften lassen. Er gründete lediglich eine deutsche Fernsehgesellschaft. Er wollte damit einen länger andauernden Verfassungsstreit zwischen Bund und Ländern zu seinen Gunsten entscheiden.

Vor einem Jahr löste die Bundesregierung diesen Streit durch ihre Erklärung aus, ein zweites Fernsehprogramm auf Bundesebene ausstrahlen zu wollen. Dieser Wunsch widersprach dem westdeutschen Grundgesetz, das, auf dem Föderalismus beruhend, den ganzen Kulturbereich, einschließlich der Rundfunkstationen, ausschließlich in die Zuständigkeit der Länder legte. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge. Vor dem massiven Druck des Bundeskanzlers fing die Einheitsfront der deutschen Ministerpräsidenten an zu zerfallen. Adenauer forcierte Anfang Juli eine Einigung mit den Ministerpräsidenten seiner Partei. Es sollte ein Vertrag über eine Fernsehgesellschaft zwischen Bund und Ländern geschlossen werden, bei dem der Bund 51 Prozent der Anteile -f- Stimmen erhalten sollte. Diesen Vorschlag nahmen die CDU/CSU-Ministerpräsidenten am 15. Juli zur Kenntnis, stellten aber am 22. Juli ihrerseits die Forderung, daß mit Zweidrittelmehrheit abgestimmt werden sollte. Man stand unmittelbar vor einer Einigung, als Dr. Adenauer, dessen Position wesentlich schwächer war, so daß er sich der berechtigten Forderung der Länder kaum hätte entziehen können, sich am 26. Juli zu einem sensationellen Alleingang entschloß. Er ernannte seinen Justizminister Dr. Fritz Schaff er aus eigener Machtvollkommenheit zum Treuhänder der Länder und schloß mit ihm einen Vertrag, der nach den Worten des assistierenden Innenministers Dr. Schröder genau den Vorschlägen der Länder entsprach. Während man noch rätselte, warum dann diese rüde Form gewählt wurde, kam allerdings heraus, daß mit einfacher Mehrheit abgestimmt werden sollte, das heißt, daß die Länder in dieser Gesellschaft lediglich zu einer Statistenrolle verurteilt waren. Der Vorsitzende des Bundesrates (Länderorgan) wurde in einem Brief, der am 25. Juli, abends, aufgegeben wurde, von diesem Schritt verständigt. Dieser Brief konnte gar nicht zur rechten Zeit ankommen, trotzdem erklärte Innenminister Schröder, es sei ihm vollständig unverständlich, wieso Altmeyer diesen Brief nicht erhalten hätte. Schröder behauptete auch, die Kirchen seien mit diesem Vertrag einverstanden, zu einem Zeitpunkt, da weder die Vertreter der Kirchen noch die Ministerpräsidenten den Text kannten. Als sie ihn endlich erhielten, erklärten die Vertreter beider Kirchen auch sofort, diesen Vertrag nicht billigen zu können. Wenn Konrad Adenauer am 27. Juli die Ministerpräsidenten beschuldigte, vorher bei den Verhandlungen in Bonn eingewilligt zu haben, dann geschah es prompt, daß diese Erklärung dadurch widerlegt wurde, daß die Ministerpräsidenten mit Recht darauf hinwiesen, gar nicht in Bonn gewesen zu sein.

Fernsehgesellschaften kann Dr. Adenauer gründen, so viel er will. Verfassungsrechtlich bedenklich wird die Sache erst, wenn diese von der Post die Lizenz erhält. Bis dahin müssen die Länder mit einer Verfassungsklage warten. Die von Bonn verbreitete Behauptung, es ginge lediglich um die Verbesserung des Programms, widerlegte sich ebenso rasch wie andere Erklärungen. Den Stationen wurde nämlich vom Bundespostministerium der Lizenzantrag für das bereits bestehende zweite Fernsehen abgelehnt, das heißt es wurde damit der Konkurrent für das Bundesfernsehen lahmgelegt. Es geht gar nicht um das bessere Programm, wie die Wochenschrift „Die Zeit“ und andere zentra-Iistisch gesinnte deutsche Zeitungen ihren Lesern weismachen wollen. Dahinter steckt der Wunsch des Bundeskanzlers, für den Wahlkampf 1961 ein regierungstreues Fernsehen zu erhalten, ein Wunsch, der offenbar durch die Kanzlerkandidatur des Berliner Bürgermeisters Willy Brandt an Dringlichkeit nichts eingebüßt hat. Juristisch unhaltbar an dieser Geschichte ist die Rolle des Bundesjustizministers Fritz Schäffer. Die Länder haben ihn zu seiner Rolle niemals legitimiert und haben ihm auch nachträglich die Anerkennung verweigert. Ein Bundesjustizminister als Commis voyageur einer höchst fragwürdigen Sache, das hinterläßt einen ebenso faden Geschmack wie die Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesinnenministers, die sich allesamt als falsch herausstellten. Fürwahr: der Parteivorsitzende Adenauer, der seiner CDU eine Wahlhilfe verschaffen wollte, hat hier seinem Kanzler einen bösen Streich gespieltl

Gewiß, ein zweites Fernsehprogramm mag den Vergleich mit dem Staatsstreich des Herrenreiters Papen nicht aushalten. Betrachtet man die Sache aber vom Standpunkt der deutschen Demokratie, so drängt sich dieser Vergleich sehr viel mehr auf. Papen gab 1932 mit seinen Ministerverhaftungen das Startsignal zur Zerstörung der Weimarer Verfassung. Seine Erklärungen von damals waren von derselben aalglatten „Wahrhaftigkeit“, wie es heute die des Innenministers Schröder sind. Papen rannte damals die Säule des Föderalismus um. die heute durch Adenauer nicht minder in Mißkredit gebracht wird.

Es ist genau ein Jahr her, seit Dr. Adenauer durch sein Spiel um den Präsidentenstuhl das Ansehen des höchsten Amtes der Bundesrepublik aufs Spiel setzte Nun hat er seine Mißachtung vor der föderalistischen Ordnung des Bundes nicht minder demonstrativ bewiesen. Und hier fängt die Analogie Papen—Adenauer an, zu stimmen. Wie soll ein Volk eine Verfassung achten, mit der sein Regierungschef derart umspringt! Jeder Kegelklub hat seine Satzung, auf deren Einhaltung er mit Eifersucht sieht. Jeder Vorsitzende eines solchen, der, anstatt alle Neune zu schieben, ehe er verliert, die schwere Kugel auf die Häupter seiner Konkurrenten wirft, wird dort zur Rechenschaft ge-zogen. Papen begann 1932 die Verfassung aus den Angeln zu heben. Ein halbes Jahr später kam Hitler. Mit Beklemmung fragt man sich, wie die Verfassung der Bundesrepublik feste Normen für eine, etwa nach dem Tode Adenauers zu erwartende Krise gewinnen will, wenn vorher derart Mißbrauch mit ihr getrieben wird.

Die Fernsehgesellschaft ist für Adenauer nur ein Augenblicksvorteil, der sich, wenn etwa die SPD an die Regierung käme, rasch . in das Gegenteil verwandeln kann. Eine Verfassung, die zum Fetzen Papier wird, kann zum Untergang eines Staates führen. Man hat Franz von Papen 1932 mit Recht einen verantwortungslosen, leichtfertigen Spieler genannt. Die großen Eigenschaften Konrad Adenauers und seine einmaligen Verdienste um Deutschland sind unbestritten. Aber das macht sein Vorgehen um so betrüblicher!

In diesem Sinn ist ein Bild, das dieser Tage durch die deutsche Presse ging, von makabrem Beigeschmack! Der Bundeskanzler bei der Unterschrift dieses verfassungsrechtlich und juristisch höchst fragwürdigen Vertrages. Rechts von ihm der Hüter des Rechts, Bundesjustizminister Schäffer, links, als Kommentator, der Hüter der Verfassung. Innenminister Schröder. Bewahre uns der Himmel davor, daß dieses Bild je in den deutschen Geschichtsbüchern mit der Unterschrift erscheine, hier habe die Auflösung des demokratischen Verfassungsstaates in Westdeutschland begonnen!

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