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Erhard wird es schwer haben
Doch auch die bescheidensten Vorstellungen hinsichtlich einer Annäherung der deutschen und französischen Standpunkte wurden bereits am Tage der Aufnahme Adenauers in die Akademie zunichte. Während der Altbundeskanzler die deutschfranzösische Aussöhnung nach dem Kriege vor einem illustren Kreis beschwor, während er Journalisten gegenüber erklärte, daß er es im Benehmen mit der Bundesregierung übernommen habe, der deutsch-französischen Freundschaft neue Impulse zu geben und Europa zu retten,
wurde er durch ein Interview des Bundesaußenministers heftig kritisiert und einer übertriebenen „Francophilie” bezichtigt. Dr. Gerhard Schröder brachte sich mit diesem Interview in Gegensatz sowohl zu Adenauer als auch zum Bundestagspräsidenten Dr. Gerstenmaier. Das in Bonn herrschende völlige Durcheinander und eine unüberbietbare Kopflosigkeit wurden offenbar.
Ruhe und Optimismus
Was auch die französischen Zeitungen über die kritische Lage zwi-
schreiben mögen — in Regierungskreisen, und vor allem am Qual d’Orsay, glaubt man nicht mehr, daß die Bundesrepublik bei ihrem Widerstand in der Getreidepreisfrage beharren, der von de Gaulle gewünschten NATO-Reform entgegenwirken und um jeden Preis an der baldigen Verwirklichung der MLF festhalten werde. Man ist — man kann sagen: generell — in Paris davon überzeugt, daß das Kabinett Erhard durch die öffentliche Kritik zu stark angeschlagen ist, um seine ursprünglichen Absichten, mit oder ohne Hilfestellung Washingtons, durchsetzen zu können. Folglich sieht man den weiteren Entwicklungen mit Ruhe und Optimismus entgegen. Vor allem verbergen diese Kreise nicht ihre Genugtuung darüber, daß die Bonner Krise das Gewicht de Gaulles erneut unter Beweis gestellt habe, ohne dessen Zustimmung und aktive Mitwirkung weder die Realisierung Europas noch ein wirksames atlantisches Verteidigungssystem denkbar sei. Professor Erhard hat sich aber mit seiner unglücklichen Erklärung von der Möglichkeit eines deutsch-amerikanischen Alleingangs als denkbar schlechter Psychologe erwiesen. De Gaulle wird ihm von nun an die „kalte Schulter” zeigen, denn „Affronts” kann er nun einmal nicht vertragen, auch wenn er selbst mit seinen Partnern nicht gerade sanft umzugehen pflegt.
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