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COUVE DE MURVILLE DEM GENERAL DIENEN

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Ist es richtig, was die angesehene „Neue-Zürcher-Zeitung“ am 12. Juli schrieb?

„In Couve de Murville hat de Gaulle ein gefügiges Werkzeug gefunden, mit dessen Hilfe er die ihm vorschwebenden Reformen … in die Tat umsetzen zu können hofft.“

Der neue französische Regierungschef hat jene durch und durch französische Physiognomie, die ihn alles eher als servil erscheinen läßt. Der 61jährige Maurice ist Protestant — und damit Nachfahre jener einflußreichen, kleinen Elite französischer Weltbürger, die der Republik Diplomaten, Beamte und Bankiers geschenkt hat.

Couve de Murville ist gelernter Volkswirtschaftler und Finanzexperte. Um so überraschter reagierte man 1958 in Paris, als sich de Gaulle Couve ins Außenministerium holte. Seither kann Couve den Rekord für sich buchen, kaum einen amtierenden Außenminister einer Großmacht zu kennen, der zehn Jahre im Amt war — und dann noch zu größeren Ehren berufen wurde.

Immerhin: Als Außenminister der Regierungen Debre und Pompidou war er der treue Vollstrecker der Ansicht seines Generals, gleichgültig ob in Washington, Moskau, den roten Satelliten oder am Verhandlungstisch der EWG. Dort votierte er gegen Englands Beitritt, blockierte die Kennedy-Runde, und schlug sich für Frankreichs Agrarier und die Goldwährung.

Freilich: Couve de Murville konnte, weil er zu de Gaulles treuesten Gefolgsleuten zählte, auch die Außenpolitik manchmal besser gegen den General akzentuieren als jemand, den nicht das volle Vertrauen des alten Lothringers getragen hätte.

Über den Technokraten im Maßanzug geht das Wort, daß er nicht einmal einen Eisblock zum Schmelzen bringe, auf dem er sitzt. Ohne Faszination auf die eruptiven, zur Emotion und zum Pathos neigenden Massen Frankreichs muß er auch nach seiner neugebildeten Regierung bedin-

gungslos auf de Gaulle setzen. So ist Couve de Murville ein Regierungschef von Gnaden de Gaulles. Und das weiß er auch.

Österreich scheint der neue Chef des Hotel Matignon nicht sonderlich ins Herz geschlossen zu haben — wenngleich er es nie an höflichen Worten fehlen ließ. Noch allzu genau registriert man in Wien seine frostigen Kontakte zu Exaußenminister Toncic, mit dem er anscheinend auch menschlich keinen Kontakt fand. Und man weiß auch, daß er nicht unglücklich über Italiens Veto gegen EWG-Verhandlungen mit Wien war.

Immerhin: Frankreichs neuer Mann an der Spitze einer ziemlich unveränderten Regierung wird nicht auf Rosen gebettet sein. Doch er darf in dieser „Regierung de Gaulle“ immerhin eine neue Ära der Grande Nation einleiten. Ist es etwa sogar eine VI. Republik?

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