6551007-1947_43_03.jpg
Digital In Arbeit

Krise im „MRP“

Werbung
Werbung
Werbung

Paris, im Oktober 1947 Der große Sieg de Gaulles in den Gemeindewahlen ist durch eine schwere Krise in dem politischen Lager der französischen Katholiken vorbereitet worden. Und so konnte es geschehen, daß der stürmische Erfolg des erst vor Halbjahresfrist gegründeten „Rassemblement du Peuple Francais“ (RPF) General de Gaulles zum guten Teile von dem Mouvement Republicain Popu-laire (MRP) bezahlt werden mußte. Durch ihre Mittelstellung hatte die Partei der französischen Katholiken naturgemäß auch eine kräftige Fühlung nach rechts und in ihren eigenen Reihen waren die Anhänger de Gaulles zahlreich. Nicht umsonst hatte sich MRP einmal den Beinamen „Partei der Treue“ verliehen und diese Treue sollte de Gaulle gelten. Aber die parlamentarische Notwendigkeit, die Zusammenarbeit mit Sozialisten der verschiedenen Schattierungen, blieb nicht ohne Widerspruch aus dem eigenen Lager. Die Partei trug schwer an der Mitverantwortung an dem brüchigen Regierungssystem, das immer wieder Kompromisse aufnötigte. Allgemach wurde die Trennungshnie sichtbar, welche die Partei der parlamentarischen Realität von Unzufriedenen schied, die. eine aktivistischere Politik gegen den Kommunismus verlangten und- sich um de Gaulle scharten. Als sich der Zeitungskönig A m a u r y, der mehrere Zeitungen und das große Anzeigenunternehmen „Havas-Publicite“ kontrolliert, an de Gaulles Seite stellte, wurde die Öffentlichkeit eines Tages von dem Schauspiel überrascht, daß damit auch aus dem bisherigen weitverbreiteten Wochenblatt des MRP, „C a r r e f o u r“, ein Blatt geworden war, das seine Sympathie für die neue Gründung de Gaulles, das „Rassemblement du Peuple Fran£ais“, im Widerspruch zur eigenen Partei offen zur Schau trug.

„Carrefour“ ist ohne Zweifel eine der besten politischen Wochenschriften von Paris. In ihren Spalten schrieb gelegentlich, was in Frankreich oder auch im Ausland Rang und Namen hatte. Denis de Rouge-mont war hier ebenso zu finden wie Mahatma Gandhi. Der Einfluß der Wochenschriften ist heute hierzulande größer als früher einmal. Papierknappheit legt den Tageszeitungen gegenwärtig in Frankreich eine Enge auf, die viele Autoren zwingt, in der Wochenschrift eine Unterkunft zu suchen, die ihnen die Tagispresse ihrer Partei nicht gewähren kann. So war es nicht gleichgültig, daß kurz nach der Konstituierung der RPF im Frühjahr dieses Jahres die „Carrefour“ ins Lager de Gaulles übergesiedelt war. Von dieser Zeit an zeichneten der Generalsekretär der RPF Jacques S o u s t e 11 e s, ein bekannter Soziologe, und R e m y, der Londoner Mitarbeiter de Gaulles, der einst die Widerstandsgruppe „Cönfrerie Notre-D.ime“ geleitet hatte und als einer der besten Organisatoren der Partei gilt, die Artikel der „Carrefour“. Immer seltener wurden im Blatte die Stimmen bekannter Anhänger der MRP und schließlich war es so weit, daß Autoren, die in der „Carrefour“ schrieben, in den Kreisen des MRP als Abtrünnige angesehen wurden. Um so größer war das Aufsehen, als am 15. Oktober in dir „Carrefour“ unter dem Titel „Frankreich muß sich an den Mann wenden, der es' schon einmal gerettet hat“ ein Artikel an leitender Stelle erschien, den der führende MRP-Abgeordnete der Orne, Louis Tfirre-noire, unterzeichnete. Dieser bisherige Abgeordnete der MRP hatte zugleich keine geringere Funktion als die des Chefredakteurs der „L'Aube“, der führenden MRP-Zeitung. Es war ein kleiner Bergsturz. Terrenoire schlug in seinem Leiter eine neue Regierungsbildung unter der Losung einer „Defense Republiquaine“, also eine Regierungsbildung unzweifelhaft mit de Gaulle an der Spitze vor. In der gleichen Nummer bezog Terrenoire eine scharfe Angriffsstellung gegen die Kommunisten, deren Streiktaktik er verurteilte, und fügte seiner Unterschrift einige kursivgesetzte Zeilen bei, in denen er bekanntgab, daß er den Gründer der „L'Aube“, Fran-cisque Gay, ersucht habe, ihn von seinen Pflichten als Chefredakteur zu entbinden, damit er mit voller Kraft seinen Aufgaben als Abgeordneter dienen könne. Der bisherige Leiter der vornehmen Wochenschrift der MRP widmet sich also ganz der Sache de Gaulles.

Der Fall bezeichnet mit aller Deutlichkeit die Situation. Sichtlich haben viele Terrenoires nicht die Geduld, die undankbare Rolle mitzumachen, welche die MRP im Dienste des inneren Friedens bisher auf sich genommen hat. Die Schwädiung der Partei Bidaults als Repräsentantin einer maßvollen vermittelnden Politik, ist ein Verlust für Frankreich und ein kritisches Signal.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung