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YVONNE DE GAULLE / MADAME IM HINTERGRUND

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General Catroux, Großkanzler der Ehrenlegion, kennt de Gaulle seit 1916. In der Prinz-Karls-Festung in Ingolstadt waren beide gefangen gewesen. Für Catroux war der de Gaulle jener Zeit ein Schüchterner. Alles sei dem Hochbegabten Anlaß zu Hemmungen gewesen, am meisten seine überhohe Gestalt. Er habe darunter gelitten. Es kostete ihm eine große Ueberwindung, sich jemandem mitzuteilen. Seine Zurückhaltung war eine Fassade, die immer mehr nach innen wuchs und so gleichsam zum Wesen de Gaulles wurde. In die Armee war er eingetreten, etwa wie man in einen Orden eintritt. Wer tagtäglich in Saint-Cyr, der Kriegsakademie, den Eindruck französischer Größe aufnahm, kommt anders in den Alltag zurück. Seine eigentliche Heimat war ihm die Armee, Frankreich ein fast mystischer Begriff.

Einmal läßt sich nur sagen, die Fassade sei völlig niedergebrochen, so daß ein junger Mensch hinter ihr zum Vorschein kam. Das war im November 1920. Yvonne Vendroux, 19 Jahre alt, hatte mit ihren Eltern, Industriellen aus Calais, Paris besucht. Im „Salon d’Automne“ stellte ihnen ein Freund einen jungen Offizier aus Lille vor: Capitaine Charles de Gaulle, gerade aus dem Nahen Osten kommend. Er erzählte über militärische Probleme. Die Fama berichtet von einer Schale Tee, vergossen auf Mile. Vendroux' Kleid. Tage darauf traf man einander jedenfalls wieder. Beim Ball der Technischen Hochschule in Versailles. De Gaulle tanzte — die

Hochzeit fand am 7. April 1921 in Calais statt. Abbe Baheux hatte das junge Paar getraut; er ist heute der „Cure“ von Bomy und wohnt in der Pfarre, wo in den achtziger Jahren ein Landgeistlicher seinen Neffen auf zog. Der Neffe hieß Philippe Petain und wurde de Gaulles Vorgesetzter.

Yvonne de Gaulle, intelligent, doch niemals brillant, gütig, aufrichtig und energisch, repräsentiert die Französin von Charakter, Noblesse und Tradition; sie ist das genaue Gegenteil der „femmes savantes“ oder „femmes prėcieuses“, die man häufig in Pariser

Salons trifft. Der Offiziersfrau blieb immer der frohe Friede im Institut Notre-Dame lebendig, das sie absolviert hat. Die glanzvollen Tage, wie die vom Unglück erfüllten ertrugen beide als Fügung. „Die wenigsten wissen“, sagte ein Freund der Familie, „wie sehr Charles de Gaulle seelisch auf seine Frau angewiesen ist.“ Im Landhaus von Colombey- les-deux-Eglises wuchsen die Kinder auf: Philippe, Elisabeth, Anne. Anne galt alle Liebe, sie kränkelte von Kindheit an und starb 1948. Zu ihrem Andenken wurde das Anne-de-Gaulle-Haus für invalide Kinder gegründet. Aus dem Erlös der Memoiren des Generals wird es erhalten.

Madame lachte nicht, als sie der große schwarze 15-CV-Wagen nach Paris brachte. De Gaulle mußte ihr versprechen, einmal im Monat nach Lothringen zu fahren. Er hat das Wort gehalten. Sie bewahrt, ob einem Staatsmann oder einem Durchschnittsbürger gegenüber, die gleiche liebenswürdige Distance, jenen leisen, gleichsam lächelnden Abstand, der die echte Dame kennzeichnet. Die überzeugte Katholikin hat erreicht (was am englischen Hof seit alters her gilt), daß bei Empfängen und Festmählern ihres Gatten Geschiedene nicht mehr erscheinen dürfen. Man solle nicht darüber spötteln, das sei vehementer Tugendterror nach jakobinischem Vorbild. In einer die Moralbegriffe aufweichenden Welt gehört zu einem solchen Schritt Charakter und Mut, ja Mut zur Unpopularität.

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