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GENERAL MASSU / TADEL VERPFLICHTET

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Ein großer Soldat hatte die Kühnheit, sich aufs politische Parkett zu begeben, und ist — wie vorauszusehen — darauf ausgeglitten. Er hat an eines anderen Soldaten Politik heftig Kritik geübt und wurde daher von ihm zur Ordnung gerufen. Darauf hat der Gerügte eine Loyalitätserklärung abgegeben. So der knappe Sachverhalt. — Der Rügende heißt Charles de Gaulle, der Angepfiffene Jacques Massu, 52 Jahre alt und 1,91 Meter groß, Fallschirmjägergeneral in Algerien. Er hat sein Blut für Frankreich auf drei Erdteilen vergossen, ist Großoffizier der Ehrenlegion und Ritter des Kreuzes der Befreiung. „Er ist groß, wie sein Herz“, sagen seine Offiziere, seine Männer nennen ihn den „ruhigen Vater“. Seit zehn Jahren deckt er mit seinen „Paras“ die Rückzüge der ehemaligen Kolonialgroßmacht Frankreich und übernahm am 13. Mai 195 8 vorübergehend die Macht in Algerien.

Massu hatte mit einem deutschen Korrespondenten geplaudert und nachher ernüchtert gebrummt: „Ich hatte mich reinlegen lassen.“ Der Korrespondent war ein ehemaliger deutscher Fallschirmjäger gewesen. Das erklärt vieles, aber nicht alles. Mit den springenden Verbänden anderer Mächte verbindet sie ein Korpsgeist, wie er allen Prätorianer-garden eigen ist, ihr Horizont wird von der Kante ihres Stahlhelms bestimmt, ihr Schicksal hängt an der Reißleine ihres Fallschirmes. An die Elitetruppen werden höchste Anforderungen gestellt, das distanzlose Verhältnis zwischen Offizier und Mann wird dadurch mitbestimmt, daß der Boden, auf dem beide landen, gleich hart ist. In ihren Reihen herrschen rüde Kameraderie und bedingungslose Kampfbereitschaft. Die Fallschirmkommandanten erinnern schon rein äußerlich an die Condottieri der Renaissance.

Als am 14. Juli die „Paras“ in wuchtigen Karrees im dumpfen Marschtritt die Prachtstraße Napoleons, die Champs Elysee, her-' unterstampften, dachten nicht wenige, es sei doch eines Tages möglich, daß die Bataillone Massus direkt von der Parade weg ins Parlament marschieren würden. In der Tat, die Befürchtung kann sich an gewisse historische Vorbilder halten. Massus Hoffnung war immer Charles de Gaulle gewesen, hatte er doch seinerzeit, in jenen turbulenten Maitagen 1958, in Algier erklärt: „General de Gaulle ist der einzige Mann, der über allen Parteien steht und alle Völker Frankreichs und Algeriens einen kann.“ Nach der Hypothese des Massenblattes „Paris Jour“, die von den anderen Kommentaren abweicht und deshalb interessant ist, sei Massu einfach in eine „Falle“ gestolpert, die ihm die Ultras gestellt hatten. Sie wollten ihn in einem psychologisch günstigen Augenblick zum Sprechen bringen und arrangierten das Interview, dessen explosiver Charakter vorauszusehen war. Es schreibt: „General Massu ist in Algier für seine offenen Worte, seine Autorität, seinen Gaullismus bekannt. Wenn er spricht, bringt er wenig orthodoxe Meinungen zum Ausdruck, wenn es sich darum dreht, daß gehandelt werden muß, folgt er mit Disziplin den Weisungen des Staatschefs.“ Und Massu, der Militärakademiker von Saint-Cyr, der Kämpfer von Bir Hacheim, der unumstrittene Führer der „bemalten Männer“, der „hommes peints“, fühlte sich von de Gaulle am Portepee gepackt: Tadel verpflichtet. f. e.

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