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MICHELDEBRE / ROBE PIERRE DES GAULLISMUS

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Michel Debrė, den de Gaulle zum Ministerpräsidenten gemacht hat, ist die „Flamme“ der Bewegung, er vertritt am reinsten den Idealismus, der den Gaullismus trägt.

Aber diese Exzentrikerstellung ist ja zugleich auch Debrės Stärke. Wie von de Gaulle selbst, so weiß man auch von ihm, daß er jederzeit alle Macht und Würden wieder hinzuwerfen vermag, wenn er das seiner Idee schuldig zu sein glaubt. Das hebt ihn aus einem Heer von Karrieremachern heraus. Nicht zufällig gehört der heute 46jährige Debrė — er ist gleichaltrig mit Soustelle und drei Jahre älter als Chaban — dem Elitekorps der „Conseillers d’Etat“ an, die das unbestechliche Kontrollorgan der Republik bilden. Schon die Tradition seiner Familie ist vom Dienst am Staate geprägt. Die Debrės sind eine Notabeinfamilie im strengen Sinne des Wortes: eine „jener Familien der Großbourgeoisie, in denen der Sinn für die allgemeinen Ideen und das öffentliche Wohl erblich ist. Nur in der Teilnahme an ihnen kann man sich dort die Existenz vorstellen; mit dem Geschäfte machenden Bürgertum hat man wenig Berührung. Man ist Gelehrter, Intellektueller, hoher Beamter, Arzt.“ So ist denn auch Debrės Vater ein berühmter Mediziner und derzeitiger Präsident der Akademie der Medizin.

Debrės Biographen wollen allerdings für seine starre Unbedingtheit noch eine andere Wurzel gefunden haben: in seiner teilweise jüdischen Abstammung nämlich (ein Großvater war Rabbiner). Ein keineswegs im Geruch des Antisemitismus stehendes Blatt, wie das linksradikale Fellowtraveller-Organ „France-Observateur“, zu dessen Redaktionsgremium selbst Juden gehören, glaubt Debrė von hier aus erklären zu müssen: „Er ist ein Sohn der jüdischen Großbourgeoisie, die sehr oft auf den Antisemitismus dadurch reagiert hat, daß sie ,superfranzösischer“ war als die Antisemiten selbst. Und der Gaullismus ist nun einmal für Michel Debri zuerst und vor allem anderen ein Superpatriotismus.“ Auffällig ist auf jeden Fall, daß Debre einen richtigen Anti-Mendes-Komplex hat.

Sein „Kurier des Zornes“ griff in jeder Nummer geradezu frenetisch den Mann an, der durch eine geschickt konstruierte Dolchstoßlegende für einen erheblichen Teil der französischen Oeffentlichkeit zum „jüdischen Ausverkäufer des Empire“ gestempelt worden ist. Die Schroffheit, mit der sich Debre da-

bei gegen jeden Souveränitätsverzicht in Nordafrika ausgesprochen hat, legt ihn plötzlich fest. Sie drängt ihn an die Seite der kolönialistischen Lobbies, mit denen er seiner ganzen Art nach wenig zu tun hat.

An sich ist nämlich Debrė durchaus ein Mann der Linken, aufgeschlossen für soziale Reformen und der Republik ergeben. Und daß er zu den Männern gehört, deren Karriere mit der Resistance begann, trennt ihn zum mindesten von der traditionellen Rechten eindeutig. Uebrigens wird auch im Widerstandskämpfer Debrė wieder sein seltsames Doppelgesicht deutlich: im Untergrund plant er bereits das Netz der Präfekten, das General de Gaulle nach der Liberation als erstes Gerüst des neuen Staates sofort installieren wird. Und in den ersten Jahren der Vierten Republik gehört der Jurist Debrė zu den Männern, die die neuen Grundrisse legen: er stellt das Statut der „Ecole Nationale d'Administration“ auf, in welcher die Elite der Beamtenschaft geprägt wird; 1946 bereitet er das Saar-Statut vor; von 1947 bis November 1948 ist er Generalsekretär der „Deutschen und österreichischen Angelegenheiten“. Aber dann verläßt er die offiziellen Funktionen, um sich an der Seite de Gaulles ganz dem Kampf des damaligen RPF zu widmen.

Zum „treuen Eckehard“ des Generals befähigt ihn übrigens nach Meinung früherer Freunde eine Eigenschaft, die er mit de Gaulle gemeinsam hat: „Debrė ist ebenso verschlossen und im Innersten schüchtern wie der General, und er mag wie dieser die brillanten und expansiven Persönlichkeiten nicht.“ Dali aber eine solche Verschlossenheit gerade Antrieb zu entschlossenem Handeln sein kann, lehrt die Geschichte.

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