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Und die Kommunisten?

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Die Kommunisten endlich haben sich entschlossen, um jeden Preis aus der jahrelangen Isolierung her- aüszukommen. Deshalb war ihre Konzessionsbereitschaft gegenüber anderen Parteien in der französischen Nachkriegsgeschichte nie’ so stark wie jetzt. Sie überraschten die Öffentlichkeit .mit ihrem vor kurzem unterbreiteten Vorschlag, die’ beim radikalsozialistischen Kongreß in Evian aufgezeichneten Gesichtspunkte alsr „gemeinsames Programm" anzunehmen. Freilich verbündet die’ kommunistische Parteiführung die Weisung an ihre Gefolgschaft. für einen nichtkommunistischen Kandidaten’ zu stimmen, mit der Bedingung, als Partei ausdrücklich in die Koalition aufgenommen zu werden. Nachdem sie gegen die Aufstellung eines gemeinsamen sozialistischen Kandidaten keine Bedenken äußerten, konnte der Publizist Gilles Martine! in ..France Observaieur“ die sich äb- Zeichnende Koalition der Linken wie fjplgt charakterisieren: Die Musik werde radikalsoziajistisch sein, jjie Statisten würden von :den Kommu nisten geliefert und der Dirigent von deh Sozialisten gestellt werden.

Sachliche politische Beobachter zweifeln nicht daran, daß eine so seltsame Aktionsgemeinschaft kein durchschlagendes Echo bei den

Wählermassen finden, kann. Sie stellen fest, daß die aufgewärmten radikalsozialistischen Platten da durch. daß sie von den Kommunisten serviert werden, kaum an Anziehungskraft gewinnen würden. Nicht minder unrealistisch erscheint die Empfehlung mancher politischer Streiter, erst einmal die Macht de Gaülles- zü’ brechen’ und erst später einen Kompromiß für die Zusammenarbeit der Linken zu suchen. Denn unter solchen Voraussetzungen läßt sich die Stellung des Generals nicht erschüttern, der immer auf die gespaltene, ohnmächtige und aktionsunfähige Linke hinweisen kann. Eine recht geschickte Regierungspropaganda in diesem Sinne ist bereits angelaufen, die sich nicht einmal besonders anstrengen zu müssen glaubt. Für den Fall einer Vorverlegung der Präsidentenwahlen geht man von der

Überlegung aus, daß — nach dem gegenwärtigen Stand der Meinungsergebnisse — 41 Prozent aller Franzosen mit der Politik de Gaulles mehr oder weniger zufrieden sind. Die Spezialisten zweifeln nicht daran, daß es bei einer geschickt geführten Wahlschlacht, nicht allzu schwer fallen dürfte, diese,.Zahl auf 48 bis 56 Prozent zu erhöhen.

Das „Bankett der Tausend“

Unsere Darstellung der opposition nellen Sammlungsversuche war unvollständig, wollten wir das „Bankett der Tausend“ unerwähnt lassen, bei dem im September im kleinen Badeort Honoré-les-Bains die Aufstellung einer Einheitsfront der Linken gegen de Gaulle einge- leltet wurde. Man sah bei dieser Veranstaltung Generalräte. Führer sozialistischer Parteien, Vertreter der Radikalen, Anhänger von Men- dès-France und Gewerkschaftler. Die meisten standen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren. Maurice Faure plädierte für eine humanitäre europäische Demokratie und François Mitterand sprach sich für die Konstitution einer französischen Elite aus, aus der man den Wertvollsten und Würdigsten als Kandidaten gegen de Gaulle ‘auswählen würde. Aber die Anwesenden, die sich W’ohl für Europa erwärmten ünd gegen die Force de Frappe:und den Kaufkraftschwund erhitzten, zeigten wenig ideologisches Intéresse; die Veranstalter des Banketts mußten erkennen, daß in der heutigen Zeit ein festverwürzelter Konformismus mit Dogmen und Idealen nicht zu erschüttern ist. Ein solides, konstruktives Einheitsprogramm hatten sie aber nicht zu bieten. ‘

Die Organisatoren mochten an das historische Vorbild der 70 in Frankreich veranstalteten Banketts gedacht haben, in denen man 1847 unter Führung Ledru-Rollins und Odilon Barrots erfolgreich gegen Louis-Philippe Stimmung zu machen verstand. Damals führie freilich das Verbot des für den 22. Februar 1848 vorgesehenen Banketts ip Paris, zu massiven Straßendemonstrationen und löste den Beginn der Revolution aus. Die Lage von damals läßt sich aber. mit. , der heutigen, . 75 Jajji.re später, nicht vergleichen: Die Opposition hatte keinèn Redner à la Lamartine aufzuweisen — Mendes- France weilte in der Schweiz und Defferre ließ sich nicht dazu bewegen. Marseille zu verlassen — und de Gaulle dachte nicht daran, das „Bankett der Tausend“ zu verbietein. Er zeigte sich dadurch seinen Gegnern überlegen, daß er ihnen nicht den Gefallen erwies, den so vielgeschmähten Totalitarismus seihés Regimes durch die Praxis zu demonstrieren

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