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De Gaulles Europa

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Heute tritt de Gaulle bereits als ein historisches Monument auf. Er wurde zu einem sagenumwobenen Wesen, das in der Einsamkeit seiner Entschlüsse ein neues europäisches Bild formt. Hat de Gaulle bestimmte Vorstellungen von einem einigen Europa?

Nach wie vor denkt de Gaulle nicht daran, übergangslos einer politisch integrierten europäischen Union unter Aufgabe der Souveränitäts-rechte beizustimmen. Der Staatschef betrachtet als die Grenze seiner Zustimmung nach wie vor den sogenannten Fouchet-Plan. Fouchet, der gegenwärtige Innenminister in der Regierung Pompidou, war im September 1961 französischer Botschafter in Kopenhagen. Er präsidierte einer Kommission hoher Beamter der EWG-Staaten, die das nach ihm benannte Projekt ausarbeiteten. Dreimal im Jahr versammeln sich die Staatschefs beziehungsweise die Regierungschefs der sechs Länder, und in der Zwischenzeit finden Zusammenkünfte der Außenminister statt. Eine politische Kommission hoher Beamter der sechs Außenministerien behandelt alle Fragen politischer Natur, die von einem Mitgliedsstaat gewünscht werden, und bereitet Entscheidungen vor, die der hohe Rat der Regierungschefs einstimmig annimmt. Diese politische Kommission ist nicht unabhängig wie die Hallstein-Kommission, sondern von den Weisungen ihrer Regierungen abhängig. Jede Majorisierung eines Mitgliedsstaates ist ausgeschlossen.

Nach den Vorschlägen Fouchets erfolgt drei Jahre später eine Koordinierung in der Außenpolitik der sechs Staaten und die drei europäischen Gemeinschaften (EWG, Hohe Behörde in Luxemburg, Euratom) werden in einer zentralen Organisation fusioniert. Letzterer Vorgang ist voll dm Gange, und bei der Zusammenkunft der Regierungschefs in Rom sollen diesbezüglich endgültige Absprachen getroffen werden.

Im Jahre 1962 nahm de Gaulle dieses Fouchet-Konzept wieder auf, aber seine Voschiäge wahren die Rechte der einzelnen Staaten noch mehr. Der Rat der Regierungschefs beschäftigt sich mit Außenpolitik, der Wirtschaft und Verteidigung. Die bestehenden Kommissionen verlieren ihre Autonomie und die parlamentarische Versammlung darf lediglich Empfehlungen abgeben. Diese Veränderungen wurden von den Partnern Frankreichs heftig kritisiert, denn jetzt handelte es sich um eine klassische Zusammenarbeit zwischen souveränen Staaten. Seit dem Fouchet-Plan hat keines der EWG-Mitglieder in Sachen politischer Union etwas Originelles gebracht.

Die EWG wurde trotz aller Reserven de Gaulles eine festumrissene Wirklichkeit. Man wird sich fragen, warum der General diese Organisation belassen hat. Dafür können zwei Gründe herangezogen werden. Frankreich hat eine Unterschrift geleistet, und diese muß auch eingehalten werden. Weiter hat die EWG eine schnelle und eigene Dynamik entwickelt. Die Industrien der sechs Staaten haben sich weitgehendst neuen Gesetzen und Strukturen angepaßt. General de Gaulle ist Realpolitiker, der die Kräfte (richtig einzuschätzen weiß. Das Bestehen des Gemeinsamen Marktes bringt für Frankreich mehr Vorteile als Nachteile. Im letzten denkt der General daran, vorerst durch eine lose Konföderation der europäischen Staaten, wie sie der Fouchet-Plan andeutet, eine dritte Macht in der Welt zu schaffen.

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