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Entscheidungen im kommenden Jahr

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Die Jahreswende 1962/63 fällt in eine Zeit schwieriger und zugleich weitreichender Entscheidungen. Politik und Wirtschaft müssen die Weichen stellen für Entwicklungen, die für Österreich Schicksal bedeuten werden. Nichts ist gerade in solcher Zeit nötiger als eine sichere Führung, und deshalb muß vor allem die Regierung Österreichs in der Lage sein, die zur Meisterung dieser großen Aufgaben notwendigen Entschlüsse rechtzeitig und sachlich richtig zu fassen und die einmal gefaßten Entschlüsse energisch durchzuführen. Dies gilt für die Politik im allgemeinen und in erster Linie für die Wirtschaftspolitik.

Die vielleicht wichtigste Frage, in der eine Entscheidung herbeigeführt werden muß, ist die der Teilnahme Österreichs an der europäischen Integration. Allerdings hängt diese Entscheidung nicht von Österreich allein ab, sondern von den Verhandlungen, die wir mit der EWG zu führen haben werden. Aber Österreichs Sache ist es, auf eine rasche Eröffnung, zügige Durchführung und einen möglichst baldigen Abschluß der Verhandlungen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu dringen.

Das nun zu Ende gehende Jahr hat einige wichtige Fortschritte in der Integrationsfrage gebracht. Schon 1961 war ein Jahr grundsätzlicher Entscheidungen in der Frage des wirtschaftlichen Zusammenschlusses Europas sowohl im allgemeinen europäischen Rahmen als auch was die Teilnahme unseres Landes an dieser großen europäischen Bewegung betrifft. Schon Mitte 1961 entschloß sich Großbritannien, Verhandlungen über seinen Eintritt in die EWG zu beantragen. Dieser Schritt wurde auch von den anderen Mitgliedern der EFTA gebilligt und insbesondere Österreich sah in ihm die logische Konsequenz des von unserem Lande von jeher mit besonderer Tatkraft unterstützten Grundgedankens,' daß die EFTA kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Förderung des großen europäischen wirtschaftlichen Zusammenschlusses sein soll. Die drei neutralen Staaten Europas, Österreich, die Schweiz und Schweden, beschlossen schon damals, daß für sie nur jene Form der Zusammenarbeit mit der EWG in Betracht kommt, die auf ihre .Neutralität und bei Österreich auch auf die Staats-Tertragsverpflichtungen voll Rücksicht nimmt.

Ein formeller Antrag für die Aufnahme von Verhandlungen In diesem Sinne wurde von den drei neutralen Staaten knapp vor Weihnachten 1961 der EWG übermittelt. Im Jahre 1962 sind dann — wohl hauptsächlich infolge der Überlastung der Organe der EWG mit den Verhandlungen mit Großbritannien und wichtigen inneren Entwicklungen — Gespräche mit der EWG, die man noch nicht einmal Verhandlungen nennen kann, nur sehr schleppend zustande gekommen. Am 28. Juli 1962 konnte Österreich dem Ministerrat der EWG ein umfangreiches Schriftstück übergeben, welches die Ansichten Österreichs über die von ihm angestrebte Assoziierung an die EWG eingehend darlegte. Die zuständigen österreichischen Minister hatten auch Gelegenheit, die Erklärung mündlich zu erläutern.

In den die Neutralität betreffenden Fragen konnte in eingehenden Besprechungen mit der Schweiz und mit Schweden eine völlig einheitliche Auffassung erzielt werden und dieses gemeinsame Vorgehen wird zweifellos in dieser Frage auch in Zukunft aufrechterhalten werden.

Ich glaube sagen zu dürfen, daß die Reisen, die ich im ersten Halbjahr 1962 in einige europäische Hauptstädte sowie insbesondere auch nach Washington und Moskau unternommen habe, die internationale Atmosphäre rund um die Verhandlungen Österreichs zur Assoziierung mit der EWG geklärt haben. Meine Besuche in Bern und in London haben die schon vorher gegebene Gleichheit der Standpunkte bekräftigt.

In Washington dürfte es mir gelungen sein, Verständnis dafür zu finden, daß sich Österreich mit einem den Meistbegünstigungsbestimmungen des GATT unterliegenden Handelsvertrag mit der EWG nicht zufriedengeben kann, eine Lösung, die manche Anhänger in amerikanischen Kreisen hat.

Der Gedanke, daß die Neutralen entweder beitreten, oder der EWG fernbleiben sollen, hatte auch in Frankreich Anhänger. Mein Besuch in Paris hat zweifelsfrei klargestellt, daß unser Bestreben, uns mit der EWG zu assoziieren, ohne Vollmitglied zu werden, die volle Unterstützung der französischen Regierung genießt.

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