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Einwände und Antworten

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Voll von Ressentiment ist auch die Behauptung, daß die wirtschaftliche Unabhängigkeit Österreichs durch einen Vertrag mit der EWG deshalb gefährdet wäre, weil dadurch ein besonders enges wirtschaftliches Nahverhältnis zwischen Österreich und der Bundesrepublik provoziert würde. In Wirklichkeit läßt sich gerade das Gegenteil erwarten. Die Bundesrepublik ist mit Abstand unser stärkster Handelspartner. Das ist nicht das Ergebnis einer „zielbewußten“ Handelspolitik, sondern einer aus vielen Quellen gespeisten Entwicklung. Wenn es nun gelingen wird, die Handelshemmnisse zwischen Österreich und den sechs EWG-Staaten zu beseitigen, so ist vor allem eine Verstärkung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und den übrigen fünf EWG-Staaten weit eher zu erwarten als eine solche zwischen Österreich und der Bundesrepublik, weil hinsichtlich dieser Relation die Möglichkeiten schon jetzt weitgehend ausgeschöpft sind, was bei den übrigen fünf EWG-Partnern jedoch nicht der Fall ist. Dazu kommt, daß gewisse deutsche Wirtschaftsinteressen in Österreich wegfallen werden, die heute nur deshalb bestehen, weil Österreich EFTA-Mitglied ist.

Zu den Einwendungen gegen einen Vertrag mit der EWG zählen auch die wirtschaftlichen Befürchtungen, daß ein verstärkter Importdruck die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft auf ihrem Binnenmarkt weiter belasten würde. Dieser Einwand geht an der Tatsache vorbei, daß dieser Importdruck schon heute besteht — siehe zunehmendes Handelsbilanzpassivum! — Diese Entwicklung ist dadurch entstanden, daß die kapitalkräftigen Exportfirmen im EWG-Raum die österreichische Zollmauer schon heute mit Leichtigkeit überspringen können, während die EWG-Zölle für die österreichischen Exporteure ein täglich schwieriger werdendes Hindernis darstellen. Die Beseitigung der Zwdschenzölle wird also der österreichischen Exportwirtschaft bedeutend mehr Vorteile bringen als der EWG-Seite.

Zuletzt sei noch auf das politische „Argument“ verwiesen, das behauptet, daß die Neutralitätsverpflichtungen nicht genügend berücksichtigt würden und — wie die neueste sowjetische Argumentation lautet — das bestehende politische Gleichgewicht durch einen österreichischen Vertrag mit der EWG gegestört würde. Was Neutralität und Staatsvertrag betrifft, so gelten allein die Erklärungen der österreichischen Bundesregierung, daß hierbei jede nur mögliche Vorsicht und Rücksichtnahme zu walten haben. Wir sind allerdings der Meinung, daß die Neutralitätsverpflichtungen, ihr Inhalt und Ausmaß, allein von Österreich zu beurteilen sind und uns diesbezüglich niemand Vorschriften zu machen hat. Was an solchen Verpflichtungen besteht, entscheiden allein die österreichische Bundesregierung und das österreichische Parlament. Was nun die sogenannte Gleichgewichtslage betrifft, so würde ein Vertrag mit der EWG dadurch, daß er zur wesentlichen Stabilisierung der österreichischen Wirtschaft beiträgt, an sich schon ein neues Stabilisierungsmoment in der europäischen Politik sein.

Wie immer wir also das österreichische Vorhaben gegenüber der EWG betrachten, es gibt in Wirklichkeit kein stichhältiges Argument gegen dieses Vorhaben. Darum kann und darf Österreich auch keinem Druck von außen weichen! Wenn unsere sowjetischen Freunde uns im Lichte ihrer Auffassungen auch keinen Beifall bei unseren Bemühungen spenden, so dürfen wir doch von ihnen verlangen, daß sie den Erklärungen der österreichischen Regierung hier ebenso glauben wie in allen anderen Belangen. Man muß verstehen, daß nur das eine gute österreichische Politik ist, die sich zu ihren eigenen Argumenten bekennt und diese nicht zerstören läßt, weil andere eine andere Auffassung haben. Natürlich muß man darüber diskutieren und, wenn nötig, eigene Beweisführungen stets wiederholen. Aber es wäre der Anfang vom Ende der österreichischen Souveränität, wenn wir einem Druck von außen weichen würden. Es wäre auch das Ende unserer Neutralität, denn um neutral sein zu können, müssen wir souverän bleiben. Nicht die Macht eines großen Freundes, sondern unsere eigenen Argumente müssen die Grundlage unseres Handelns bleiben. Wer anderen Regierungen eine Einflußnahme auf die österreichische Notwendigkeiten einzuräumen bereit ist, der übersieht das Allernotwendigste: die Eigenständigkeit der österreichischen Politik! Wer die österreichischen Argumente leugnet und andere anerkennt, steht im Verdacht, anstatt der Argumente die Macht anzuerkennen! Hüten wir uns vor solchen Wegen, damit aus der Politik der Argumente nicht die Vorherrschaft der Macht werde!

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