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Der Weizenkrieg

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Die Erweiterung des Gemeinsamen Marktes im Jahre 1973, der mit zehn Mitgliedsstaaten der größte regionale Handelsblock der Welt ist, dürfte erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die amerikanischen Agrarexporte nach Europa haben, vor allem bei Weizen und Futtergetreide.

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) betreibt eine gemeinsame Agrarpolitik, die erstmals 1962 Anwendung fand und die auf einem protektionistischen System variabler Abschöpfungen sowie einer Stützung hoher Binnenpreise basiert. Die Abschöpfungen schwanken von Tag zu Tag und sollen verhindern, daß billigere Getreideimporte das Niveau der Binnenpreise stören. Die Preisstützung der EWG beträgt zum Beispiel bei Weizen etwa drei Dollar pro Bushel.

Da die Europäische Gemeinschaft keine offizielle Anbaukontrollen kennt und den Bauern hohe Preise garantiert, suchen diese natürlich durch Anbauerweiterung ihr Einkommen zu steigern.

Die Vereinigten Staaten sind natürlich über die Ausweitung des Getreideanbaues in der EWG beunruhigt. Wenn die EWG auf zehn Länder erweitert ist, die Handelspräferenzen auf sieben weitere europäische Länder ausgedehnt werden und die gemeinsame EWG-Agrarpolitik trotz aller Einwände unverändert bleibt, dann befürchtet man in Washington, daß der Gemeinsame Markt bis 1980 bei allen Getreidearten nahezu autark sein wird.

Vor einigen Wochen hat die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft den Importzoll für amerikanischen Mais um 11 Prozent erhöht, was vom amerikanischen Landwirtschaftsminister Earl L. Butz scharf kritisiert worden ist. Rund 40 Prozent der amerikanischen Maisexporte gehen” in die EWG-Länder. Butz hatte diesen Schritt der EWG als eine schwere Enttäuschung und einen Rückschlag für den Welthandel bezeichnet und betont, daß diese llprozentige Zollerhöhung noch zu der Mehrbelastung für amerikanischen Mais von 20 bis 30 Prozent auf Grund der Neufestsetzung der Wechselkurse hinzukomme.

Eine amerikanische Studie deutete kürzlich an, daß der Bedarf der EWG an Impcrtgetreide bis zum Jahre 1980 — gegenüber 1970/71 — um fast 20 Millionen Tonnen zurückgehen wird. Die zu erwartenden großen Überschüsse der EWG bei einzelnen Getreidearten, so heißt es in der Studie, seien eine ernste Herausforderung für die traditionellen Exportländer, wie die USA, Kanada, Argentinien und Australien, und würden zu einem zusätzlichen Druck auf die Weltmärkte und einem hieraus resultierenden Preisverfall führen.

Nachfrageorientierung

In der letzten Verhandlungsrunde mit der EWG haben die Vereinigten Staaten versucht, diese zu einer Senkung ihrer grundlegenden Preisstützung und zu einer stärkeren Zurückhaltung bei der Preissubventionie-rung zu bewegen. Die Vereinigten Staaten würden an Stelle der Preisstützung lieber direkte Zuwendungen an die Bauern sehen. In diesem Zusammenhang wird amerikani-scherseits darauf verwiesen, daß die Vereinigten Staaten in den sechziger Jahren eine ähnliche Preisstützung für die Landwirtschaft hatten, wie es sie jetzt in der EWG gibt, daß sie diese jedoch dann zugunsten direkter Zuwendungen an ihre Farmer aufgegeben haben.

Während die von der EWG angewandte Preisstützung zu einer Stimulierung des Anbaues führte, benützen die Vereinigten Staaten diese direkten Zuwendungen dazu, die Farmer zu einer Einschränkung des Anbaus zu bewegen; hier liege, so. wird betont, der entscheidende Unterschied.

Die Handhabung der Zoll- und der nicht zollursächlichen Handelsschranken durch die EWG behindere, so wird von amerikanischen Experten betont, den US-Handel und verhindere den Zugang amerikanischer Agrarexporte zum europäischen Markt zu solchen Bedingungen, wie sie den europäischen Exporten nach den USA eingeräumt werden. Die USA gestatteten fast allen ausländischen Agrarimporten einen völlig unbehinderten Zugang zum amerikanischen Markt.

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