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Handelskrieg USA—England
Ein britisch-amerikanischer Ausschuß hat jetzt eine Denkschrift über die Gefahr eines Handelskrieges zwischen den USA und einer erweiterten EWG veröffentlicht. Das Hauptthema der Denkschrift ist die Gefahr, daß im Fall eines britischen EWG-Beitritts „Restriktionen und Vergeltungsmaßnahmen“ beider Seiten in den Handelsbeziehungen zwischen Nordamerika und Westeuropa zunehmen. In der Denkschrift, die vom britischen Nordamerikaausschuß veröffentlicht wurde, wird eine engere wirtschaftspolitische Zusammenarbeit zwischen Nordamerika, Japan und einer durch die Aufnahme Großbritanniens und anderer Länder erweiterten EWG empfohlen. Wenn es nicht dazu komme, so wird betont, dann könne das Resultat eine Protektionspolitik konkurrierender Blöcke sein.
Das Ganze hat damit angefangen, daß billige japanische Textilien den amerikanischen Binnenmarkt überschwemmten — zum Schaden der einheimischen Textilindustrie. Jetzt hat das amerikanische Repräsentantenhaus die umstrittene Vorlage — die sogenannte Mills Bill — zu einem neuen Handelsgesetz angenommen. Diese Vorlage ist insofern stark protektionistisch, als sie in ihren Hauptabschnitten Kontingente für Textilien, Schuhe und mehr als hundert andere Güter vorsieht, deren Einfuhr der amerikanischen Industrie abträglich sei. Natürlich besteht die Möglichkeit, daß der Senat jetzt die Vorlage abändert, um sie weniger protektionistisch zu machen, oder daß Präsident Nixon sein Veto einlegt. Zudem wird die Vorlage hinfällig, wenn sie nicht Ende dieses Jahres Gesetzeskraft erhalten hat.
Sollte sie in ihrer jetzigen Form durchkommen, dann wäre es wohl unausbleiblich, daß die EWG-Länder, die die Zollschranken innerhalb des Gemeinsamen Marktes abbauen, Maßnahmen zur Beschränkung der Einfuhr aus den USA und Kanada ergreifen; und wenn Großbritannien der EWG beitritt, würden solche Restriktionen noch zunehmen. Überdies würden amerikanische Maßnahmen gegen die Einfuhr aus Japan bedeuten, daß japanische Waren noch viel mehr als bisher nach Westeuropa ausgeführt werden. Die logische Folge dieser ganzen Entwicklung wäre eine Krise in den Handelsbeziehungen zwischen den drei großen Wirtschaftsgebieten Amerika, EWG und Japan. Die Aussichten für die Zukunft des Welthandels werden dann mehr als ungünstig sein.
Der Generaldirektor des britischen Exportbeirates, Peter Tennant, hat warnend darauf hingewiesen, daß es „zu massiven Vergeltungsmaßnahmen europäischer Länder“ kommen würde, sollte die amerikanische Vorlage Gesetzeskraft erhalten. Komplizierend tritt hinzu, daß die meisten westeuropäischen Länder (und besonders Großbritannien) viel mehr auf die Ausfuhr angewiesen sind als
Amerika mit seinem riesigen Binnenmarkt. Glücklicherweise steht es noch keineswegs fest, daß die Vorlage — die protektionistischeste seit dem Kriege — in ihrer jetzigen Form angenommen wird. Die Gefahr zunehmender Restriktionen in den Handelsbeziehungen zwischen den drei größten Wirtschaftsgebieten der nichtkommunistischen Welt bedeutet auch eine weitere Komplikation in der Frage eines britischen EWG-Beitritts. Nach der neuesten Meinungsbefragung in Großbritannien ist jetzt ein größerer Teil der Bevölkerung für den Beitritt als zu Anfang dieses Jahres. Aber das heißt nicht, daß sich die Mehrheit dafür erklären würde, wenn jetzt eine Volksabstimmung stattfände — wie kürzlich von dem früheren Labour-Minister Wedg-wood Benn vorgeschlagen wurde. Auch heute noch sind mehr als 60 Prozent gegen einen EWG-Beitritt. Aber diejenigen, die für den Beitritt sind — in Großbritannien wie auf dem Kontinent —, können vielleicht ejnen Trost darin sehen, daß sich Großbritannien stärker mit Europa verbinden muß, wenn die USA den eigenen Wirtschaftsinteressen größeres Gewicht beilegen als der bisher konsequent vertretenen politischen Ansicht, daß ein EWG-Beitritt Großbritanniens zu wünschen wäre. Als etwas Positives kann man auch verbuchen, daß wahrscheinlich weder die Konservative Partei noch die Labour-Partei den Ruf nach einer Volksabstimmung über diese Frage unterstützen wird. Die große Unterhausmehrheit für einen EWG-Beitritt macht einen recht stabilen Eindruck.
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