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Schützenhilfe aus Peking

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Der 5. Juni rückt immer näher, und damit d) chicksals-frage der britischen Regierung an das Inselvolk, es diese traditionelle Rolle aufgeben und sich endgültig zu t^nr geeinten, starken Europa bekennen will. Der Kampf zwischen EG-Freunden und EG-Gegnern geht mit hücl m emotio; ;llem und polemischem Aufwand weiter,“hauptsäb , allerdings auf der Ebene von Politikern und Kommentator ca. Das Volk selbst aber, bei dem schließlich die letzte Entscheidung liegt, zeigt in dieser Frage nach wie vor eine seltsame Lethargie, fast ein Desinteresse, das die britischen Politiker aus beiden Lagern einigermaßen beunruhigt.

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Der 5. Juni rückt immer näher, und damit d) chicksals-frage der britischen Regierung an das Inselvolk, es diese traditionelle Rolle aufgeben und sich endgültig zu t^nr geeinten, starken Europa bekennen will. Der Kampf zwischen EG-Freunden und EG-Gegnern geht mit hücl m emotio; ;llem und polemischem Aufwand weiter,“hauptsäb , allerdings auf der Ebene von Politikern und Kommentator ca. Das Volk selbst aber, bei dem schließlich die letzte Entscheidung liegt, zeigt in dieser Frage nach wie vor eine seltsame Lethargie, fast ein Desinteresse, das die britischen Politiker aus beiden Lagern einigermaßen beunruhigt.

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Ein Grund für diesen Mangel an Beteiligung seitens der britischen Bevölkerung dürfte wohl in der sich ständig verschlechternden Wirtschaftslage des Landes zu suchen sein; das Hemd ist dem „Mann auf der Straße“ näher als der Rock, und

die britische Rekord-Inflatiönsrate von 30 Prozent, die immer hektischer werdende Teuerungswelle im Inland und die fortschreitende Entwertung des Pfundes, ausgedrückt im Wechselkurs für Devisen potentieller Urlaubsländer — all das ist für Mr. und Mrs. John Bull viel wichtiger, aktueller und realer als die langfristigen und noch immer nicht völlig verstandenen Erwägungen für und wider die britische EWG-Mitgliedschaft.

Noch weiter verwirrt wird die bri-

tische Wählerschaft zweifellos auch durch die Verwischung aller traditionellen politischen Schranken und Gegensätze, zu der es auf Grund der EWG-Debatte gekommen ist. Wenn

sich der Tiger neben dem Lamm friedlich ausstreckt, wenn Politiker, die einander vorher nicht mit der Feuerzange angefaßt hätten, jetzt freundlich lächelnd nebeneinander auf demselben öffentlichen Podium sitzen und in dasselbe Pro- oder Anti-Europahorn stoßen, dann fängt dem braven Tory- oder Labour-Wähler eben der Kopf zu schwanken an.

Daß politische Taktik oft seltsame Bettgenossen macht, das hat sich in der Europadebatte gerade auch auf internationaler Ebene gezeigt. Einer der prominentesten britischen EWG-Anhänger, der Tory-Politiker und EWG-Delegierte Sir Christopher Soames, hat von einem offiziellen Besuch in Peking die erstaunliche

Nachricht mitgebracht, daß die Regierung der Volksrepublik China an einem starken und geeinten Europa sehr interessiert sei und daher die fortgesetzte EWG-Mitgliedschaft Großbritanniens wärmstens befürworte.

Es war sicher nicht rein zufällig, daß diese Entwicklungen — Sir Christophers Reise nach China, neue Beweise für den potentiellen weltweiten Einfluß der Europäischen Gemeinschaft — gerade zu dem Zeitpunkt bekannt werden, an dem die britische Referendum-Kampagne ihrem Höhepunkt zustrebt. Aber zweifellos wird es jetzt nicht nur im britischen Anti-EWG-Lager Leute geben, die sagen werden, daß eine Entscheidung, die vom kommunistischen China befürwortet wird, suspekt für Großbritannien sein müsse. Und noch verworrener wird die Angelegenheit dadurch, daß der andere kommunistische Superstaat, die Sowjetunion, die EWG und damit die britische Mitgliedschaft scharf ablehnt.

Die Schärfe der chinesisch-sowje-

tischen Kontroverse über die Europäische Gemeinschaft ist um nichts geringer als jene der Kontroverse in Großbritannien selbst, ist aber' zum großen Teil natürlich Ausdruck der allgemeinen Konfliktsituation zwischen den beiden kommunistischen Machtblöcken. Die Intensität aber, mit der Peking und Moskau ihre eigene Europadebatte durchführen, läßt zumindest eine Tatsache zweifelsfrei erkennen: beide Weltmächte betrachten die gegenwärtige Phase in der Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft, die kritische Entscheidung über die fortgesetzte Mitgliedschaft Großbritanniens, als einen der bedeutendsten, folgenschwersten Faktoren für die zukünftige Stärke, Form und Weltgeltung eines geeinten Europa. Und diese Erkenntnis von Chinesen und Russen, gleichgültig, welche Folgerungen sie darauf ziehen, müßte sich doch auch in Großbritannien erreichen lassen, wenn man das Wörtchen „Groß“ nicht endgültig aus dem Namen des Landes streichen will.

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