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England und die EWG

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Feldmarschall Montgomery, das en-fant terrible der englischen Politik, hat mit einer Behauptung, wonach sich Churchill ihm gegenüber eindeutig gegen den Beitritt zur EWG ausgesprochen habe, in der Presse viel Aufsehen und Widerspruch erregt. Das prompte, aber etwas mehrdeutige Dementi des Altmeisters hat den Streit nicht entschieden. Churchill verwies auf eine frühere Erklärung, in der er für ein Beitrittsansuchen Stellung genommen, aber die Beziehungen zum Commonwealth als das entscheidende Problem bezeichnet hatte.

Für die Österreicher ist die Richtung, in der sich die EWG-Diskussion in England entwickelt, aus mehreren Gründen interessant. Erstens ist die Stellungnahme Englands zur EWG bedeutsam für Österreichs taktische Linie im gleichen Fragenkomplex. Zweitens stehen die beiden Länder in einigen Fällen vor ähnlichen Problemen. Drittens sind die Differenzen der Engländer mit ihren deutsch-französischen Verhandlungspartnern schärfer und offener geworden. (Man verlangt angeblich, daß England entweder das Commonwealth oder den Beitritt opfert.) Viertens scheinen die Anhänger des Anschlusses in England etwas Terrain an ihre Gegner verloren zu haben.

Zunächst ist als Vorbemerkung festzustellen, daß in der Gesamtdiskussion die rein wirtschaftlichen Fragen nicht die entscheidende Rolle spielen. Es wird wohl einerseits auf die Tatsache verwiesen, daß der Abbau der Zollmauern zwischen den EWG-Ländern nicht zu der prophezeiten Senkung der Kleinhandelspreise geführt hat. Oder daß das ökonomische Wachstum der EWG-Länder vor dem Abschluß der Verträge von Rom schneller war als nachher. Oder daß ohne Beitritt im zweiten Halbjahr 1961 Englands Export in die EWG-Länder doppelt so schnell gewachsen ist wie der Außenhandel der EWG-Länder untereinander. Aber all das scheint nicht das Wesentliche zu sein.

In einem gewissen Gegensatz zu Österreich nehmen die Fragen des Tempos und der Taktik weniger Raum ein. Bei Stufenlösungen hält man die Frage für entscheidend, ob die Stufen nach oben oder nach unten führen. Auch die taktische Frage - der Aus-nützungsmöglichkeit des 234, wonach im Prinzip Verträge, die ein Land vor seinem Eintritt in die EWG geschlossen hat, auch nach dem Eintritt wirksam bleiben, selbst wenn ihr Inhalt den EWG-Bestimmungen widerspricht, steht ebensowenig im Mittelpunkt wie die Frage der etwaigen Schadenersatzverpflichtung Englands gegenüber den Commonwealth-Ländern laut Artikel 24 des Gatt-Vertrages, falls England eintritt.

Auf der äußersten Rechten der EWG-Gegner stehen Leute wie Sir John Barlow, Sir Jocelyn Lucas und Robin Turton, die das englische Weltreich so erhalten wollen, wie es vor dem zweiten Weltkrieg war; wenn möglich, so wie vor dem ersten..

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