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Wink mit dem Pfahl

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Zwei Ereignisse haben in letzter Zeit dem Selbstgefühl der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft neue Nahrung gegeben und ihre Verhandlungsposition gegenüber Außenstehenden zweifellos . erheblich gestärkt: Die Einigung im EWG-Ministerrat über die wohl schwierigste Verhandlungsmaterie jeder Integration, nämlich die Zusammenlegung sechs „nationaler“ Agrai-märkte, und, fast gleichzeitig, die Botschaft des Präsidenten Kennedy über die Lage deT Nation, in der dieser den amerikanischen Kongreß zu einer „revolutionären Umschichtung der Außenhandelspolitik der USA“ aufruft mit dem Ziel, die Erstehung einer Zollmauer zwischen dem Europäischen Gemeinsamen Markt und den Vereinigten Staaten von Amerika zu verhindern. Der amerikanische Präsident hob dabei zwar die Absicht seiner Regierung hervor, auch jene Länder in verstärktem Maße zu unterstützen, „die sich aus geographischen, wirtschaftlichen Gründen oder aus Gründen der Schwäche aus Bündnissen heraushalten“, aber es ist unverkennbar, daß er in der europäischen Integration die alles überschattende Chance der freien Welt erblickt.

Nun äußerte rieh noch vor diesen Ereignissen der belgische Außenminister, der Sozialist Paul Henri

Spaak, vor einem gewerkschaftlichen Forum in harten Worten zu den Assoziierungswünschen der drei neutralen EFTA-Länder Schweiz, Schweden und Österreich. Assoziationsabkommen, sagte er wörtlich, die den neutralen Ländern nur die wirtschaftlichen Vorteile der Integration bringen, nicht aber die politischen Verpflichtungen auferlegen würden, könnten die unerwünschte Folge haben, daß die Assoziierten aus deT Integration größere Vorteile ziehen bürden als die Vollmitglieder. Einen anderen Aspekt desselben Themas erwähnte der neue stellvertretende Außenminister der USA, George Ball, in einem „privaten“ Gespräch, das dann publik wurde: Er nehme, sagie er, die sowjetischen Warnungen für den Fall einer Verbindung Österreichs mit der EWG für durchaus ernst und sei überdies der Ansicht, daß es besser sei, die EWG nicht zu verwässern. Dafür schlug er für die drei Neutralen eine „Alternative“ vor, nämlich die Zollsenkung in den Vereinigten Staaten. ,

Über die, Integrationsfrage ist in Österreich schon viel diskutiert worden. Oft hatte man dabei den Eindruck, daß die historischen Erfahrungen und Reminiszenzen (einerseits ujid anderseits) die Entstehung einer romantischen EWG-Ideologie förderten,

Photo: Wischer die vielleicht da und dort auch eine gewisse Anti-EWG-Ideologie zur Folge hatte. Im Licht der oben erwähnten Geschehnisse und der Äußerungen, die einem Winken mit dem Zaunpfahl stark ähneln, wäre nunmehr zweckmäßig, Österreichs Stand gegenüber dem sich Schritt für Schritt verwirklichenden gemeinsamen Markt erneut zu prüfen und alles beiseite zu lassen, was die Lage Österreichs in der gegenwärtigen Situation erschweren könnte. Es ist zweifellos, daß den handelspolitischen Problemen dabei ein Vorrang gebührt. Es war der österreichische Außenminister, der schon vor Monaten darauf hinwies, daß nur die politische Seite der Assoziierung von den drei Neutralen gemeinsam ausgehandelt werden solle. Die Fragen der Handelspolitik müsse Österreich allein lösen. Es ist zum Beispiel unbestritten, daß die Ausnahmeforderungen Österreichs im eigenen Interesse so gering wie möglich gehalten werden müssen. Das Problem reicht jedoch noch tiefer. Österreich muß vor allem seine Wirtschaft krisenfest machen. Große Bedeutung kommt dabei der künftigen Entwicklung der österreichischen Zollpolitik zu. Da sich die Assoziierungsverhandlungen auf jeden Fall, wie dies kürzlich auch Professor Erhard andeutete, in, die Länge ziehen werden, läge sehr viel daran, das künftige Terrain hier gründlich vorzubereiten.

Was ist aber, wenn uns die EWG endgültig nicht will? „Es ist ein Kunststück, die politische Absicht der EWG mit den wirtschaftlichen Zielen, die sie vordergründig anstrebt, zu harmonisieren“, schrieb kürzlich ein Münchner Blatt. Was also, wenn das Kunststück fürs erste nicht gelingt? Auch dann darf Österreich die Flinte nicht ins Korn werfen. Die Neutralität ist eine reale Größe, die auch in dem zur Einigung strebenden Europa ihren Platz haben muß. Gleichzeitig also mit den notwendigen, wohlerwogenen handelspolitischen Maßnahmen, die seine wirtschaftliche Verbindung mit der EWG erleichtern können, muß Österreich trachten, daß es sich auch dann den Anforderungen des Tages gewachsen zeigt, wenn die Assoziierung durch falsche Unvereinbarkeit von Positionen verzögert oder gar verhindert werden sollte.

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