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Moskau

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Am Dienstag ist eine österreichische Regierungsdelegation nach Moskau abgeflogen. Bundeskanzler Dr. Klaus und seine Begleitung werden eine Woche in der Sowjetunion verbleiben. Das Programm bietet genügend Gelegenheit, um in persönlichen Gesprächen mit den Führern der Sowjetunion ihre Stellungnahme zu allen europäischen und weltpolitischen Fragen gleichsam aus erstem Munde zu hören, aber auch der Meinung der österreichischen Bundesregierung zu allen angeschnittenen Problemen Ausdruck zu geben.

Die Klaus-Reise nach Moskau dient der Fortsetzung der bei dem Podgorny-Besuch im vergangenen Spätherbst in der österreichischen Bundeshauptstadt begonnenen Gespräche. Damals wurde auch deutlich, welche Bedeutung man in Moskau einem unabhängigen und neutralen Österreich gerade im Rahmen eines künftigen europäischen Sicherheitssystems zuzubilligen bereit ist. Auf der anderen Seite aber wurde auch in mehr als deutlicher Form die nach wie vor bestehende negative Einstellung Moskaus gegenüber einer engen EWG-Binäung Österreichs akzentuiert. Wer anderes verlautet, steckt den Kopf in den Sand.

Seit Podgornys Abreise aus Wien sind Monate vergangen, in denen auf der europäischen Bühne einige Vorgänge zu beobachten waren, die dem Gespräch zwischen den führenden Staatsmännern der UdSSR und Österreichs neue Akzente geben könnten. Zunächst ist deutlich geworden, daß Paris, was die österreichischen EWG-Verhandlungen betrifft, in Brüssel zwar sehr diskret, aber doch nachhaltig auf die Bremse gestiegen ist. Auf der anderen Seite haben sich die Aktivitäten Londons für einen Beitritt zur EWG verstärkt. Ein solcher ist jedoch nicht für morgen zu erwarten. Es ist ein langer Weg, an seinem Ende mag eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft stehen, deren spezifisches Gewicht etwas anders beschaffen ist als heute. Man kann annehmen, daß eine Verbindung Österreichs zur EWG nach einem Beitritt Großbritanniens in Moskau nicht auf dieselben Widerstände stoßen kann wie dies heute zweifellos der Fall ist. Vieles ist in Fluß gekommen. Das erste Gebot für eine verantwortungsvolle österreichische Politik ist es daher, in keinerlei „Torschlußpanik“ zu verfallen, sondern durch gezielte Maßnahmen die österreichische Wirtschaft — so oder so — gegen ihre Krisenanfälligkeit zu wappnen und vor Ost und West den festen Willen zu dokumentieren, unsere Neutralität auch in Zukunft zu einem Faktor des Friedens und Ausgleichs in Europa auszubilden. Österreich muß glaubhaft bleiben. So einfach und gleichzeitig so schwierig ist die Aufgabe der verantwortlichen Lenker unseres Gemeinwesens.

In diesem Zusammenhang verdient auch die in den letzten Wochen angefachte Debatte um den Atomsperrvertrag ein Wort. Während zu Beginn dieser Diskussion man aus dem Ballhausplatz erfahren konnte, daß das neutrale Österreich selbstverständlich mit einer Unterschrift für ein solches Dokument nicht zögern würde, wollten manche Beobachter aus späteren Äußerungen herauslesen, daß man hier dieses „Ja“ nicht mehr so laut und deutlich zu sprechen bereit wäre.

Um es klar zu sagen: Eine solche Unsicherheit könnte Österreich in weiter Sicht viele Sympathien, aber auch Spielmöglichkeiten auf dem Felde der mitteleuropäischen Politik kosten. Sie müßte auch die an sich nicht leichten Gespräche in Moskau unnötig beschweren.

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