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Rinder suchen einen Markt

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Der von vier Außenministern erwünschte, von der österreichischen Wirtschaft erhoffte und von den Agrariern erträumte Handelsvertrag mit der EWG dürfte zwar noch nicht Wirklichkeit werden, Erleichterungen zeichnen sich aber ab: In dieser Woche verhandeln hohe Beamte in Brüssel über beide Teile befriedigende handelspolitische Erleichterungen. Zu Beginn des kommenden Jahres sollen die Gespräche auf politischer Ebene weitergeführt werden. Die Politik der kleinen Schritte, wie sie Landwirtschaftsminister Dr. Weihs nennt, scheint nun Erfolg zu haben, nachdem der Abschluß eines globalen Wirtschaftsvertrages mit der Gemeinschaft bisher nicht möglich war.

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Der von vier Außenministern erwünschte, von der österreichischen Wirtschaft erhoffte und von den Agrariern erträumte Handelsvertrag mit der EWG dürfte zwar noch nicht Wirklichkeit werden, Erleichterungen zeichnen sich aber ab: In dieser Woche verhandeln hohe Beamte in Brüssel über beide Teile befriedigende handelspolitische Erleichterungen. Zu Beginn des kommenden Jahres sollen die Gespräche auf politischer Ebene weitergeführt werden. Die Politik der kleinen Schritte, wie sie Landwirtschaftsminister Dr. Weihs nennt, scheint nun Erfolg zu haben, nachdem der Abschluß eines globalen Wirtschaftsvertrages mit der Gemeinschaft bisher nicht möglich war.

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Obwohl die Agrarier, nicht nur in Österreich, schon seit einem Jahrzehnt vom großen „Grünen Europa“ träumen, rechnet niemand mit einem Assoziierungsvertrag, hofft aber auf handelspolitische Erleichterungen. In Europa ist zwar die Integration auf dem Agrarsektor am weitesten fortgeschritten, doch das Fehlen einer gemeinsamen Währungsunion in der EWG stellt sich immer mehr als der größte Hemmschuh für die reibungslose Eingliederung der Landwirtschaft in den Wirtschaftsraum der Gemeinschaft heraus. Die auf Rechnungseinheiten (1 RE ist rund 25 Schilling), denen der US-Dollar zugrunde liegt, basierende Agrar-marktordnung der EWG gerät immer dann gefährlich ins Wanken, wenn die nationale Wirtschaft ein Land zwingt, die Währungsparität zu ändern. Die Abwertung des Franc und die Aufwertung der DM lösten nicht nur eine große Unruhe in der französischen und deutschen Bauernschaft aus, sie führten fast auch zu einem Chaos auf dem EWG-Agrar-markt. Solange aber keine gemeinsame Währungsunion in der Gemeinschaft geschaffen wird, bleibt das „Grüne Europa“ eine Illusion.

Warum gerade Österreichs Landwirtschaft an handelspolitischen Erleichterungen mit der EWG interessiert ist, zeigt die Außenhandelsstatistik sehr deutlich: Im Jahre 1969 expandierten die Agrarexporte um 18,2 Prozent auf 3,1 Milliarden Schilling, was vor allem auf eine Zunahme der Ausfuhren in die Gemeinschaft zurückzuführen ist. (Rund 68 Prozent der landwirtschaftlichen Ausfuhren gehen in die EWG, in der Forstwirtschaft liegt die Quote sogar bei 90%).

Was den Import landwirtschaftlicher Produkte betrifft, liegt ebenfalls die EWG vorne. Rund ein Drittel der Agrareinfuhren, deren Wert im Jahre 1969 8,4 Milliarden Schilling erreichte, entfällt auf die Mitgliedsstaaten der EWG.

Die wichtigsten agrarischen Ausfuhrgüter sind Vieh und Molkereiprodukte. Es ist kaum bekannt, daß Österreich der größte Zuchtrinderexporteur der Welt ist. Zuchtrinder können übrigens ohne große Schwierigkeiten ausgeführt werden, bei Schlachtrindern und Milchprodukten liegen die Verhältnisse allerdings ganz anders.

Die steigende Agrarproduktion in der EWG — der Selbstversorgungsgrad beträgt etwa 86 Prozent (Österreich; 85 Prozent — sowie die

Agrarschutzpalitik führten dazu, daß die Drittländer durch ein fast lückenlos ausgeklügeltes Agrarmarkt-system in der Gemeinschaft immer mehr ins Hintertreffen gerieten. So bedeuten die Abschöpfungen, basierend auf dem Weltmarktpreis, für die interessanten landwirtschaftlichen Exportgüter Österreichs ein kaum zu überwindendes Hindernis. Es sind große staatliche Exportsubventionen — allein für Rinder etwa 140 Millionen Schilling — notwendig, um auf den EWG-Märkten konkurrenzfähig zu sein. Der Teufelskreis wird dadurch perfekt, daß die EWG-Staaten den Erlös aus ihren Abschöpfungen wiederum dazu benützen, um ihre Exporte in die Drittländer kräftig unter das Agrar-preisniveau der betreffenden Länder zu verbilligen. Der in diesen Tagen, unter Umgehung der österreichischen Schwellenpreisverord-nung für Eier und Geflügel aufgedeckte Exportschwindel Hollands ist ein Beispiel dafür. Nach Österreich eingeführte „Primzess-Hähnchen“ schädigten die heimische Produktion. Bei der in Brüssel auf Beamtenebene stattgefundenen Verhandlungsrunde präsentierten die Österreicher einen umfassenden,,,Wunschkatalog“, an dessen Spitze erneut Erleichterungen für den Rinderexport in die EWG standen. Es wurde eine Senkung der Abschöpfung vorgeschlagen, während Österreich bereit wäre, einen gewissen Mindestpreis einzuhalten. Auf dem milchwirtschaftlichen Sektor wurde unter anderem die Konsolidierung des derzeit im Rahmen der GATT-Rege-lung geltenden Mindestpreises für Emmentaler, die Konsolidierung des Mindestpreises für Tilsiter auf der Basis des Mindestpreisabkommens mit der EWG sowie die Einbeziehung von Butterkäse aus Österreich gefordert.

Weiter stand eine Abschöpfungssenkung für Emmentaler-Schmelzrohware, für „Maresi“ und für „Alpenvollmilchpulver“ zur , Diskussion.

Landwirtschaftsminister Dr. Weihs erklärte hiezu, daß er diesen Forderungskatalog für angemessen halte, weil die österreichischen Gegenleistungen die Wünsche beträchtlich übersteigen. Dazu komme, daß die EWG nur zögernd bereit sei, Österreich den Rinderexport spürbar zu erleichtern, obwohl die Gemeinschaft im Jahre 1970 ein Rindfleischdefizit von etwa 700.000 t, das sind_ 3,5 Millionen ScWachtrinder, haben wird.

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