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Wir und das EWG-AgrarSystem

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Anläßlich der Eröffnung der Verhandlungen wischen Österreich und der EWG am 19. März 1965 in Brüssel hat Vizekanzler Dr. Bock namens der Bundesregierung den Standpunkt und die Vertragsziele Österreichs dargelegt und dabei unter anderem erklärt, daß die Zielsetzung des Vertrages eine „weitgehende Angleichung der österreichischen Agrarpolitik an die sich auf Grund des Römer Vertrages ergebende gemeinschaftliche Agrarpolitik“ sei. Diese Grundsatzerklärung wurde insbesondere während der „Agrar-runden“ im Mai 1965 und Ende Jänner 1967 wiederholt und dem Inhalt nach noch klarer präzisiert. Der österreichischen Landwirtschaft geht es im wesentlichen darum, für ihre Produkte — so wie in den anderen Bereichen der Wirtschaft — den freien Warenverkehr zwischen Österreich und der EWG zu erreichen und die zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und Verkehrsverlagerungen notwendigen Harmonisierungsmaßnahmen zu treffen.

Es ist richtig, daß sich die EWG bisher zur Harmonisierung der Agrarpolitiken noch nicht abschließend geäußert hat. Gerade die letzten Verhandlungen gaben zu berechtigten Hoffnungen Anlaß. Vor allem wird es aber an uns liegen, der EWG zu beweisen, daß wir in der Lage sind, unter voller Wahrung der Neutralität das einwandfreie Funktionieren der Agrarsysteme Österreichs und der EWG zu gewährleisten. Dazu ist es notwendig, das nicht nur zu beteuern, sondern wir müssen entsprechend handeln.

Die Zielsetzung der EWG-Agrarpolitik ist mit der Zielsetzung, wie sie im österreichischen Landwirtschaftsgesetz verankert Ist, weitgehend ähnlich; unterschiedlich sind dagegen die Wege, um dieses Ziel zu erreichen:

• Die EWG hat ein Marktordnungssystem, das bereits rund 90 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Produktion umfaßt; das

österreichische Marktordnungsgesetz beschränkt sich auf die Getreide-, Milch- und Viehwirtschaft.

• Für den überwiegenden Teil der landwirtschaftlichen Marktordnungswaren hat die EWG auf mengenmäßige Beschränkungen im Außenhandel verzichtet. An Stelle der Zollregelung hat sie in der Mehrzahl der Fälle ein bewegliches System in Form der Abschöpfungen eingeführt, wobei im wesentlichen die Differenz zwischen dem niedrigsten Angebotspreis auf dem Weltmarkt und dem EWG-Zielpreis abgeschöpft wird.

Die österreichischen Marktordnungswaren sind nur zum Teil liberalisiert. Abschöpfungen gibt es wohl bei einem Großteil der Marktordnungswaren, allerdings unterscheidet sich die Vorgangsweise der Berechnung der Abschöpfungshöhe vom EWG-System.

• Die EWG setzt für die wichtigsten agrarischen Produkte Preisaiele auf der Grundhandelsstufe fest, die angestrebt, aber nicht erreicht werden müssen. Um extreme Preisschwankungen nach unten auszuschalten, hat die EWG für diese Produkte Interventionspreise festgelegt. Die Interventionsstellen sind verpflichtet, die Ware zu diesen Preisen zu übernehmen. Die dafür notwendigen Mittel werden aus einem gemeinsamen Fonds, dem Ausrichtungs- und Garantiefonds, zur Verfügung gestellt.

In Österreich haben wir für Weizen, Roggen und Milch Erzeugerhöchstpreise, die praktisch zu Fixpreisen geworden sind. Eine Abnahmeverpflichtung besteht nur bei Milch, und zwar auf der Basis eines möglichst einheitlichen Erzeugerpreises. Die EWG-Abnahmeverpflichtung bei den wichtigsten agrarischen Produkten basiert dagegen auf einem Interventionspreissystem. • Zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Intervention auf den Märkten beziehungsweise zur Unterstützung beim Export hat die EWG einen eigenen Agrarfonds geschaffen. Diese Einrichtung in dieser Form gibt es gegenwärtig in Österreich nicht.

Um das Ziel, das sich die österreichische Bundesregierung für die Verhandlungen in Brüssel gesetzt hat, zu erreichen, müssen umgehend die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Der EWG geht es in erster Linie darum, daß durch einen Vertrag mit Österreich keine Störung ihres Ordnungssystems eintritt. Unsere Außenhandelsregelung muß daher möglichst vollkommen mit jener der EWG übereinstimmen. Das Schwergewicht unserer Bemühungen ist in nächster Zeit auf die Erweiterung — zum Beispiel Einbeziehung von Eiern und Geflügel —, aber auch auf den Umbau unserer Marktordnungen, insbesondere soweit es die Außenhandelsregelung betrifft, zu legen. In diesem Zusammenhang sind auch die vorliegenden Entwürfe einer Marktordnung für Zucker, Stärke und Verarbeitungserzeugnisse landwirtschaftlicher Vorprodukte zu erwähnen. Ich halte es für unbedingt notwendig, daß Wir der EWG an Hand konkreter Ergebnisse das Funktionieren der Marktordnungen unter Beweis stellen, und bin der Ansicht, daß dies eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, unser gemeinsames Ziel in Brüssel zu erreichen.

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