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Kein Zweifel am Ja
Wegen der Parlamentsferien und der Unruhen in Nordirland war die EWG-Frage in Großbritannien in den letzten Wochen fast in Vergessenheit geraten. Aber jetzt, rund um die Parteitage und nur einen Monat vor der großen Unterhausdebatte, ist sie plötzlich in den Vordergrund getreten.
Wegen der Parlamentsferien und der Unruhen in Nordirland war die EWG-Frage in Großbritannien in den letzten Wochen fast in Vergessenheit geraten. Aber jetzt, rund um die Parteitage und nur einen Monat vor der großen Unterhausdebatte, ist sie plötzlich in den Vordergrund getreten.
Premierminister Heath hat in seinem Wahlkreis eine neue Kampagne für den EWG-Beitritt mit einer eindrucksvollen Rede eingeleitet, in der er über die wirtschaftlichen Vorteile sprach, die Großbritannien erwarten kann. Am Tage darauf fand die erste einer ganzen Reihe von Versammlungen statt, auf denen Mitglieder der Labour Party, die Wilsons Standpunkt teilen, darlegen, weshalb ein Beitritt Großbritanniens zur EWG ihrer Ansicht nach nicht ratsam ist.
James Callaghan brachte zwei Argumente vor. Erstens: die Aufnahmebedingungen seien unfair und machten neue Verhandlungen erforderlich; zweitens: andere Länder übten zu nehmenden Druck auf die EWG aus, um sie zu einer Änderung ihrer Politik zu bewegen — Großbritannien brauche sich also mit einem Beitritt nicht zu beeilen. Mit der Zeit werde es bessere Bedingungen erlangen.
Das Kontra der Gewerkschaften
Eine sehr ähnliche Haltung zeigte sich in der EWG-Debatte auf der Jahreskonferenz des britischen Gewerkschaftsbundes. Daß die Gewerkschaften den Beitritt zur EWG mit großer Mehrheit ablehnen würden, war von vornherein zu erwarten. Man vertrat den Standpunkt, Großbritannien müsse unter den vorliegenden Bedingungen einen zu hohen Preis für seine Aufnahme zahlen;
das würde zu einer Krise in der Zahlungsbilanz führen, ähnlich wie seinerzeit unter der Labour-Regie- rung, und das wiederum hätte Deflation und Arbeitslosigkeit zur Folge. Viele der Gewerkschaftler schienen der Ansicht zu sein, daß alles, was die Regierung Heath gutheißt, für die Gewerkschaften unannehmbar ist und automatisch verworfen werden müsse. Diese konservative Regierung, so heiß es, sei die doktrinärste seit langer Zeit.
In den Äußerungen von Seiten der Opposition lassen sich in der letzten Zeit zwei interessante Momente erkennen: Die Einwände richten sich nicht so sehr gegen die EWG als solche wie gegen die finanziellen Aufnahmebedingungen; des weiteren ist bisher von den Oppositionsred- nem kaum jemals behauptet worden, Großbritannien müsse unter einer künftigen Labour-Regierung wieder aus ‘der EWG ausscheiden, wenn es ihr in der Zwischenzeit beigetreten wäre.
Aber was immer man bis Ende Oktober noch hören mag, es besteht nicht der geringste Grund zu bezweifeln, das Heath nach Abschluß der Unterhausdebatte eine Mehrheit für Großbritanniens Beitritt unter den vorliegenden Bedingungen erhalten wird.
Was die britische Bevölkerung angeht, so halten sich die Befürworter und die Gegner eines EWG-Beitritts noch immer mehr oder weniger die Waage. Aber nach allen Meinungs umfragen zu urteilen, ist heute die Mehrheit der Ansicht, daß der Beitritt zustande kommen wird.
Vertreter der Labour Party, die den EWG-Beitritt befürworten, sind keineswegs zum Schweigen gebracht worden, und es ist durchwegs wahrscheinlich, daß vierzig oder mehr Abgeordnete, entgegen dem Kurs ihrer Partei, mit der Regierung stimmen werden. Damit wäre die kleinere Zahl von Konservativen, die die EWG-Politik des Premierministers nicht unterstützen wollen, mehr als aufgewogen. Natürlich wird die Debatte in den kommenden Wochen weitergehen. Nur dürfte es nur noch sehr wenige Abgeordnete geben, die sich in dieser wichtigen Frage nicht bereits entschieden haben.
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