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Nur mit der Schweiz

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Die Gespräche sind abgeschlossen, in Brüssel delegiert man die Verhandlungen der EWG-Beamten mit Österreich an die Politiker. Und die Kommentare aus Österreich sind nicht eben klärend: „Keine Eile mit Österreich" kommentiert Klaus Emmerich im „Kurier", und die „Presse" meint: „Alles Fragen höchster Politik."

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Die Gespräche sind abgeschlossen, in Brüssel delegiert man die Verhandlungen der EWG-Beamten mit Österreich an die Politiker. Und die Kommentare aus Österreich sind nicht eben klärend: „Keine Eile mit Österreich" kommentiert Klaus Emmerich im „Kurier", und die „Presse" meint: „Alles Fragen höchster Politik."

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Als im Olctober des vergangenen Jahres der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft der EWG-Kommission den Auftrag erteilte, „auf der Grundlage der von ihm festgelegten Leitlinien Verhandlungen mit Österreich im Hinblick auf den Abschluß einer Interims-Teilübereinkunft einzuleiten", herrschte Optimismus. Inzwischen ist in har-

ten, zähen Verhandlungen ein Entwurf des Interimsabkommens ausgearbeitet worden, der vergangene Woche in Brüssel ausgiebig diskutiert wurde. Der vorliegende Text deckt etwa 85 Prozent der Abkommensmaterie, läßt also gewiditige Differenzen weiter bestehen. So bleiben als Streitfragen die

■ gegenseitige Senkung der industriell-gewerblichen ZoUsätzie um 30 Prozent (Österreichs Forderung) oder zweimal 15 Prozent (nach Vorstellung der EWG),

■ Senkung der Edelstahlzölle,

■ Ausnahme oder Einbeziehung von Papierwaren,

■ Erweiterung der landwirtschstft-lichen Positionen bestehen. Eigentliches Hauptproblem bleiben aber die zum Interimsabkommen parallel geführten Gespräche über ein Globalabkommen mit den drei neutralen EFTA-Staaten (Österreich, Schweiz und Schweden). Die Marschroute der EWG ist klar: Fertigstellung des Interimsabkom-

mens erst dann, wenn die Verhandlungen mit den übrigen EFTA-Län-dem über deren Beitritt (oder andere Lösungen) die Umrisse der anvisiiiertien Globallösung erkennen lassen. Österreichs Weg in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist also mit den anderen neutralen Staaten so eng verklammert, daß österreichische Alleingänge kaum zielführend sein dürften. Diesen Standpunkt teilt auch die Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft in einer kürzlich erschienenen Studie: „Um das in der EFT A Erreichte in die neue Regeliunig zu übentragien, wird es gut sein, wenn Österreich und die Sdiweiz, womöglich aber auch Schweden, über die Fragen der Grundstruktur möglichst übereinstimmende Zielvorstellungen entwickeln."

„Gleichgewichtslage"

Neutralitätsprobleme ins Zentrum rückend, meint die Arbeitsgemeinschaft, daß nur der Wechsel von einer Gleichgewichtslage in die andere Österreich diese Bewegung mitmachen lassen kann, ohne die eigene Lage im internationalen Kräftespiel zu verändern und damit entgegenwirkende Kräfte herauszufordern. Österreich ist mit der Schweiz durch seine geographische Lage verbunden, in der es zusammen mit ihr eine einheitliche Alpenbarriere bildet. Das Moskauer Memorandum stellt den Neutralitätsstatus der beiden Staaten auf eine Ebene (womit allerdings nicht eine vollkommene Identität der Neutralitätspolitik statuiert wurde). Entscheidend wird also sein, daß die Schweiz sich zu gewissen Anpassungen an den Gemeinsamen Markt bereit findet, dieser seinerseits nicht dogmatisch auf Übernaihme eines durchorganisierten administrativen Systems besteht, das ein System rechtlicher Bindungen und institutio-nieller Veirflechtunigen schaffien würde, das den Status eines neutralen Staaites mit unabhängigier Außenpolitik in Frage stellen kann. Versucht man die Tragweite der beiden Abkommen, nämlich der Interimsübereinkunft und des Globalabkommens abzugrenzen und diese in den Gesamtzusammenhang jener europäischen Staaten zu stellen, die eine Erweiterung des Gemeinsamen Marktes anstreben, so sind Österreichs Chancen nur in einer die EFTA und die EWG umfassenden allgemeinen Neuregėluiilg’"^#’^^S^ėlfe delsbeziehungen zu suchen. ,^

Schweden und die Schweiz können als höchstentwicäcelte Industriestaaten nicht mit Nachsicht von Seiten der EWG rechnen. Doch schwinden die Chancen zusdiends, trotz des laufend geäußeirten Wohlwollens von EWG-Politikem — zuletzt durch den Außenminister Luxemburgs — doch noch Spezial-konzessionen zu erreichen. Wir sitzen mit der Schweiz im gleichen Boot.

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