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Der Spatz ist fetter geworden

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„Die große Enttäuschung dieses Berichtsjahres liegt darin, daß den Bemühungen unreine weitergehende europäische Integration kein Erfolg beschieden war”, stellt der soeben erschienene achte Jahresbericht, der vor kurzem in Genf von der Informationsabteilung der EFTA ausgesandt wurde, fest. Fünfzig Seiten in englischer, französischer und deutscher Sprache geben Auskunft über die zweite europäische Wirt- schaftsvereinigung. Denn sowohl die skandinavischen EFTA-Länder wie auch Großbritannien warten gleichermaßen in Brüssel, bis der „große General” von Paris sein Veto aufzuheben gedenkt. Sie leisten dabei den ein Arrangement anstrebenden Österreichern, denen ein reelles Veto Italiens entgegensteht, Gesellschaft.

So macht man aus der Not eine Tugend beziehungsweise aus der Zollfreizone der EFTA eine einstweilige Gemeinschaft.

Zwischenlösungen

Denn alle EFTA-Staaten sind sich darüber im klaren, daß sie die von der EWG vorgeschlagenen Zwischen- ] lösungen wohl derzeit im Schoße der Freihandelszonen werden finden müssen. So beschlossen die EFTA- Staaten bekanntlich im Berichtszeitraum ein Arbeitsprogramm für ihre interne Arbeit. Drei Hauptziele schweben den „Sieben” dabei vor Augen:

• eine Verbesserung der durch die Freihandelszone gebotenen Handelsmöglichkeiten;

• ein klareres Verständnis der Bestimmungen der EFTA-Konvention

• und eine Erweiterung der Konsultationen in der EFTA.

Das wird zweifellos auch für Österreich seine Auswirkungen haben, denn für unser Land ist inzwischen die EFTA zum Spatzen in der Hand geworden, der derzeit besser ist als die EWG-Taube, die noch auf einem Wolkenkratzer zu sitzen scheint. Hat doch Österreich, was die EFTA betrifft, das größere Wachstum zu verzeichnen als bei den Exporten in die EWG.

• Denn die österreichischen Ausfuhren in die EFTA wurden um 18.8 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 1968 gesteigert.

• Die Exporte in die EWG aber stiegen nur um 5,7 Prozent.

• Bei den Einfuhren stehen 8,2 Prozent aus dem Zollfreizonenbereich 3.6 Prozent Steigerung aus dem Gebiet der „Sechs” gegenüber.

Chance gut genützt

Österr0eich hat damit die EFTA- Chance besser genützt als die anderen Partner.

So steigerte gegenüber dem ersten Halbjahr 1967 nur Finnland mit 19,2 Prozent Steigerung seine Exporte im Freihandelszonenbereich mehr als Österreich. Die Schweiz mit

7.8 Prozent, Portugal mit 8,2, Schweden mit 4,9, Dänemark mit 2,7, Norwegen mit 1,8 Prozent Steigerung liegen weit hinter Österreich. Großbritannien hat sogar einen Rückgang von 11,7 Prozent bei den Exporten zu verzeichnen.

Auch bei den Einfuhren liegt nur Schweden mit 10,8 Prozent Steigerung vor Österreich, während Portugal mit einem Plus von 4,0, Großbritannien mit 4,2 und die Schweiz mit 2,9 Prozent folgen; Finnland mit 3.6 Prozent minus, Norwegen mit 3,3 und Dänemark mit 3,0 Prozent haben sogar einen Abgang bei den Importen zu verzeichnen.

Erklärend stellt der EFTA-Bericht zu dieser Entwicklung fest: „Bei Beurteilung der Zahlen für den EFTA- Binnenhandel müssen nicht nur die Wertungen berücksichtigt werden, sondern auch die Tatsache, daß sich während der Vergleichsperiode, das heißt während des ersten Halbjahres 1967, die endgültige Beseitigung der Zölle Ende 1966 stark auswirkte.”

Die Pfundkrise

Sehr stark wirkte sich auch die Abwertung des britischen Pfunds im ersten Halbjahr 1967 für die EFTA aus. Die Änderung der Pfundparität brachte nämlich nicht die erwarteten erhöhten britischen Exporte. Infolgedessen war aber das Vereinigte Königreich der einzige EFTA-Staat, dessen Ausfuhr — in Dollarwerten ausgedrückt — im ersten Halbjahr 1968 geringer war als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. In den zwei anderen Ländern, die eine Abwertung vornahmen, nämlich in Dänemark und Finnland, verringerten sich die Einfuhren um 1,1 bzw. 6,7 Prozent (entsprechend sind auch die tatsächlichen Exportsteigerungsziffern der EFTA ohne Großbritannien wesentlich günstiger, nämlich 6,8 Prozent statt nur 1,9 Prozent). Angesichts dieser Tatsache ist es erklärlich, daß man in der Bundesregierung derzeit keine Tendenzen feststellen kann, aus der EFTA auszutreten, ehe nicht mit der EWG ein entsprechender Vertrag abgeschlossen wurde. Der ehemalige Vizekanzler Dr. Bock hat nämlich erklärt, seiner Meinung nach komme ein Austritt aus der EFTA nicht nur vor dem Abschluß mit der EWG nicht in Frage, sondern man müsse sogar die Ratifizierung des EWG-Vertrages abwarten, ehe man sich zu diesem Schritt entschließen könnte.

Allerdings ist man sich auch darüber klar, daß die EFTA trotz günstiger Entwicklung der Handelsbilanz für Österreich mit den übrigen sechs Partnerstaaten natürlich nur eine Ausweichmöglichkeit bleibt.

• Denn die EFTA kennt praktisch keine Regelung der so wichtigen Agrarprodukte,

• und anderseits erwartet man, daß die ohnehin schon fühlbare Diskriminierung österreichischer Waren bei Ausfuhr in die EWG-Staaten nach wie vor zunimmt.

Dafür kann allerdings nicht die EFTA verantwortlich gemacht werden. Auch der Vorwurf der Opposition, der sich immer wieder gegen die Regierung erhebt, alle Möglichkeiten mit der EFTA seien ausgeschöpft — dies sei aber von der Regierung bisher unterlassen worden —, erweist sich als falsch. Denn bereits seit Ende 1966 gibt es gegenüber den übrigen EFTA-Staaten keinerlei Zoll mehr, und auch die quantitativen Restriktionen wurden praktisch aufgehoben.

Es wird immer wieder betont, daß Österreich gerade im Osthandel eine wesentliche Brückenstellung habe. Allerdings, den Stein der Weisen, wie man den Osthandel zu einer wirklich rentablen Sache werden lassen könnte, hat noch niemand gefunden.

EWG bleibt aktuell

Nach wie vor geht es darum, daß Österreich in der EFTA nicht allein mit Assoziierungsschwierigkeiten mit der EWG zu kämpfen hat. Einen Vertrag oder ein Arrangement suchen aber auch, wie bereits eingangs erwähnt, Dänemark, Norwegen, Schweden und der Stein des Anstoßes für die derzeitige europäische Krise, Großbritannien. Daß jetzt für Österreich durch die EFTA eine fühlbare Erleichterung im Handel eingetreten ist, mag ein Beispiel aus der Textilbranche zeigen: So hat zum Beispiel in Österreich der Zoll für Textilprodukte im Schnitt im Jahre 1960 24,3 Prozent betragen und lag also mit Ausnahme Portugals am höchsten von allen EFTA-Staaten. Heute ist der Zoll gegenüber der EFTA aufgehoben. Durch ähnliche Abbaumaßnahmen hat die EFTA zweifellos dazu beigetragen, das Schicksal Österreichs im Wartezimmer von Brüssel leichter zu machen. Aus diesem Grund wird man in Österreich, solange es nicht zu einem Arrangement mit der EWG kommt, wohl oder übel dafür Sorge kontakte mit anderen EWG-Staaten und Firmen intensiviert werden.

Diese Feststellung kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß für Österreich mit seiner Nachbarschaft zu Italien und der deutschen Bundesrepublik und mit den starken, auch historisch fundierten Handelskontakten zu diesÄi Ländern in Richtung EWG ständige Bemühungen unternommen werden müssen. Da derzeit aber weder ein Auftrag an die Kommission vorliegt und ein inzwischen zur Farce gewordenes italienisches Veto und eine antieuropäische Haltung Frankreichs in der Sache Großbritannien diesen Bemühungen im Wege steht, bleibt für Österreich die EWG zumindest derzeit die „Taube auf dem Dach”.

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