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Wirtsdiafts-Slalom

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Zwischen kurzfristiger Euphorie und tiefem Pessimismus schwankt das Stimmungsbarometer der jugoslawischen Wirtschaftspolitiker. Einerseits arbeiten noch immer 13 Prozent der Betriebe mit Verlust und das Defizit der Zahlungsbilanz erreicht für jugoslawische Begriffe astronomische Höhen. Anderseits bezieht die jugoslawische Wirtschaft starke, wenn auch nicht zuletzt psychologische Impulse aus der positiven Entwicklung, welche die Beziehungen mit den Ländern der EWG im vergangenen Jahr verzeichnen konnte.

Wobei Jugoslawien, manchmal einem nach Strohhalmen greifenden Ertrinkenden gleichend, Besuchsaustausche und Dahrensdorfsche „Stred-cheleinhedten" („Eine neue Phase in den gegenseitigen Beziehungen ist angebrochen …") als stolze Erfolge wertet.

Immerhin kommt bereits jeder dritte Dollar, der im Austausch für Exportartikel ins Land rollt, aus der EWG, dafür rollt allerdings jeder zweiein-halbte Dollar für Importe in die EWG zurück. Während die Exporte in die EWG 1970 um 20 Prozent stiegen, weiteten sich die Importe aus dem Raum der Sechs um 40 Prozent aus. Der Importüberhang ist eines der größten Probleme Jugoslawiens und kann auch durch die hohen Beträge, die jugoslawische Gastarbeiter nach Hause schicken, keineswegs voll ausgeglichen werden.

Die Abwertung des Dinar hatte unter anderem auch zur Folge, daß die Dahedmgebliebenen nun mehr Geld bekommen, auch wenn der feme Emährer genau den gleichen Betrag wie immer schickt. Vor allem aber erwartet sich Jugoslawien von dieser Maßnahme höhere Konkur-I enzfähigkeit. Freilich, auch d^e Lebenshaltungskosten schnellten 1970 um ein Fünftel in die Höhe, die Lebensmittelpreise sogar bis zu 40 Prozent. Das Warenangebaot aus der Inlandsproduktion kann mit den steigenden Ansprüchen nicht Schnitt halten. Importdrossedungen werden aus innen- und sümmungspoldtischen Gründen vorsichtig gehandhabt. Mehr noch als die Zahlungsbilanz interessiert den alternden Tito der innere Frieden seines von Nationalitätenkonflikten bedrohten Landes. So stieg das Defizit der Handelsbilanz in den ersten elf Monaten des Jahres 1970 von 333 Millionen Dollar in der Vergleichsperiode 1969 auf 540 Millionen.

Viele Beobachter erwarten sich von der Dinarabwertung eine höhere Inanspruchnahme der Adriahäfen und einen leichten Rückgang der hypertrophen Importe. Freilich wird sich das gefährliche Nord-Süd-Gefälle ebenfalls eher verstärken als abbauen.

Ein Problem, das Jugoslawien besonders zu schaffen macht, ist der handelspolitische Slalom auf dem Steilhang der EWG- und GATT-Be-stimmungen, ein anderes Problem der landwirtschaftliche Export in die EWG. Die Grenzen, innerhalb derer Jugoslawiens Partner in der EWG bilateral operieren können, sind eng gesteckt. Große Hoffnung setzen Titos Wirtschaftsexperten auf eine technologische Zusammenarbeit der europäischen Länder und eine europäische Patentkonvention, vor allem aber auf die Anwendung des allgemeinen Präferentialschemas der OECD zugunsten der Entwicklungsländer.

Keine „Streicheleinheit", sondern ein reales Enteet^enkommen: Die Absicht der EWG, „das Präferential-angebot nicht durch den Ausschluß der Begünstigungen für gerade jene Sektoren zu schmalem, die für die Mehrzahl der Entwicäclungsländer ein reales und wesentliches Wirt-schaftsinterosse bilden". Im Klartext: Auch die Textilexporte Jugolawiens in den EWG-Raum, an denen Belgrad besonders interessiert ist, sollen gefördert werden.

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