In die rechte Waagschale der Justitia wurden vorerst einige ungefährliche nationalistische Einzelgänger, wie serbische Cetniks, kroatische Ustasas, albanische und mazedonische Separatisten, monarchistische Idealisten geworfen, damit die wachsamen „großen Brüder“ in So-wejteuropa nicht von einem Kesseltreiben gegen „Kominformisten“ faseln konnten. Jetzt aber, bei Beginn des zweiten Aktes dieses Reinemachens, ließ der südslawische Marschall unverbesserliche Altstalinisten und Kremlagenten in die linke Waagschale der Justiz fallen. Das ist insofern paradox, als es eine
Moskaus Versuch, Tito-Jugoslawien wieder in den Block der Warschauer-Pakt-Staaten zurückzuführen, scheiterte an der Wachsamkeit der Geheimpolizei, der mit der Entführung des einst in Belgien agierenden und später von Tito enttäuschten Altstalinisten Vlado Dap-cevic aus Rumänien ein großer Fang gelang. Dapcevic, dessen BruderPeko ein legendärer General des Partisanenkampfes im Zweiten Weltkrieg war und der derzeit als Parlamentspnäsident in Belgrad amtiert, soll außerordentlich wichtige Aussagen gemacht haben.Daten und Namen aus dem Titofeindlichen politischen Untergrund haben die
Die in Jugoslawien derzeit zugelassenen 75 Ausländskorrespondenten werden in Zukunft auf „unautorisierte“ Recherchen verzichten und den ihnen vom Parteiapparat verpaßten Maulkorb volens molens tragen müssen. Auch die Filmschaffenden werden es jetzt neben den Mitarbeitern der Informations- massenmedien schwerer haben.
Anfang Juni 1972 mußte fast der ganze Admimistrativrat des Bulgarischen Schriftstellerverbandes, mit dem Litaraturdiktator Georgi Dschagaroff an der Spitze, das Feld räumen, um für den kürzlich abgehaltenen Schriftstellerkongreß eine bessere Atmosphäre zu schaffen. Das beste Porträt des gestürzten bulgarischen Litaraturzars stammt von dem sowjetischen Dichter Andrej Woschnessensfcy, der Dschagaroff mit einem Janltscharen verglichen hat, der „den Feind zwar erkennen, aber nicht sagen kann, welches seine eigenen Leute sind“. Nicht einmal die intime Freunidschaft mit Todor Schiwkoff
Die Lieferkapazität der bestehenden osteuropäischen „Freund-schaff'-Pipeline kann nicht weiter gesteigert werden. Moskau hat deshalb den Polen, Tschechoslowaken und Ungarn empfohlen, einen neuen Weg zu suchen. Die interessierten Regierungen kamen zur Überzeugung, daß sie ihre wirtschaftlichen Erwägungen auf Nahostöl abstellen müssen, dessen Beförderung aus einem Adriahafen durch eine Pipeline die rentabelste Lösung wäre. Deshalb leiteten sie Verhandlungen mit Belgrad ein. Das Rohöl würde zum größten Teil nach Moskau geleitet werden, da der Irak für große sowjetische Industrie- und Hilfslieferungen nur mit Rohöl zahlen kann. Auch Ungarn und der Tschechoslowakei hat der Irak ähnliche Lieferungen angeboten.
Die Entwicklung am Balkan läßt Jugoslawiens Militärs nicht ruhig schlafen. Denn die Manöver der Warschauer-Pakt- Truppen in Ungarn und zuletzt in Bulgarien, der Nervenkrieg Moskaus gegen die Rumänen, die Beistandserklärung der Rotchinesen gegenüber Bukarest und Tirana deuten auf einen neuen Krisenherd. Und Breschnjews geplante Reise nach Belgrad beweist noch nicht, daß die Wogen geglättet sind. Breschnjew hat im Sommer 1968 auch Dubcek in Cierna nad Tisu und Preßburg umarmt.
Wenn Stalin heute einen Ausflug nach Albanien machen könnte, würde sein Herz vor Freude höher schlagen. Alle Kirchen wurden geschlossen, teilweise demoliert, und Albanien ist— wie die Organisatoren der „kulturideologischen Revolution” stolz sagen — der erste atheistische Staat der Welt geworden. Offiziös nennt man das „unorthodoxe Entwicklung”. Die albanische antireligiöse Politik wurde mit besonderer Heftigkeit 1967 intensiviert.Die Partei jugend stürmte damals alle religiösen Institutionen, worauf sie— „dem Volkswunsch gehorchend” — restlos geschlossen und
Von allen jugoslawischen Teilrepubliken ist Kroatien die unruhigste. Immerhin handelt es sich bei den Kroaten um das zweitgrößte Staatsvolk mit einer jahrtausendelangen politischen Tradition, zum anderen um einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor, ohne den die jugoslawische Volkswirtschaft schwer existieren könnte, denn die Hauptdevisenbringer — Fremdenverkehr und Schiffbau — sind in kroatischer Hand. Von Belgrad aus wurden gewisse Warnzeichen lange nicht ernst genommen. Erst als Tito bei einer Funktionärsversammlung in Agram Ende 1970 von der Notwendigkeit sprach, Verfassungsänderungen
Zwischen kurzfristiger Euphorie und tiefem Pessimismus schwankt das Stimmungsbarometer der jugoslawischen Wirtschaftspolitiker. Einerseits arbeiten noch immer 13 Prozent der Betriebe mit Verlust und das Defizit der Zahlungsbilanz erreicht für jugoslawische Begriffe astronomische Höhen. Anderseits bezieht die jugoslawische Wirtschaft starke, wenn auch nicht zuletzt psychologische Impulse aus der positiven Entwicklung, welche die Beziehungen mit den Ländern der EWG im vergangenen Jahr verzeichnen konnte.Wobei Jugoslawien, manchmal einem nach Strohhalmen greifenden Ertrinkenden gleichend,