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Kino in der Kirche
Wenn Stalin heute einen Ausflug nach Albanien machen könnte, würde sein Herz vor Freude höher schlagen. Alle Kirchen wurden geschlossen, teilweise demoliert, und Albanien ist
— wie die Organisatoren der „kulturideologischen Revolution” stolz sagen — der erste atheistische Staat der Welt geworden. Offiziös nennt man das „unorthodoxe Entwicklung”. Die albanische antireligiöse Politik wurde mit besonderer Heftigkeit 1967 intensiviert.
Die Partei jugend stürmte damals alle religiösen Institutionen, worauf sie
— „dem Volkswunsch gehorchend” — restlos geschlossen und liquidiert wurden. „Unverbesserliche Albaner”, meist ältere Leute, blicken mit Sehnsucht nach Norden, nach dem jugo slawischen Kosovo, wo die albanische Minderheit ungehindert ihren Glauben pflegen kann. Albaniens ultrarote Inquisitoren registrieren konsterniert, daß in der autonomen jugoslawischen Provinz die albanische Minderheit derzeit eine religiöse Renaissance verzeichnen kann.
In Albanien lebten früher 1,2 Millionen Katholiken, deren religiöses und geistiges Zentrum Shkoder war. Die größte katholische Kirche der Stadt wurde in einen Sportpalast umgewandelt, umgeben von einer Sportarena. Andere Kirchen von Shkoder sind jetzt Kinos, Altersheime, Jugend- und Kulturhäuser.
Alle Kirchen, aber auch Moscheen, mit historischer oder nationaler Be deutung wurden vorerst in Obhut des Staates übernommen. So geschah es mit der großen Moschee auf der Hauptstraße von Tirana. Kleinere Moscheen wurden dem Erdboden gleichgemacht, mit der Begründung, daß die Grundstücke für Wohnhäuser benötigt würden, die wichtiger seien als Gotteshäuser. Nicht einmal die zukünftigen Wohnungsbesitzer waren darüber erfreut.
Bei der Auflösung des Priestertums aller Religionsgemeinschaften ließen sich, da ‘fast alle Priester aus den Dörfern stammten und bäuerlicher Abstammung waren, die Behörden vom Prinzip leiten, daß die Geistlichen in ihre Geburtsgegenden zu- rückgefübrt und zu Kollektivbauern umgeschult werden sollten. Man versprach ihnen Abfindungen, die meistens nur ausgereicht haben, ein paar Kleidungsstücke und etwas Hausrat für das primitive Dorfleben einzukaufen. „Renitente”, die sich widersetzten, kamen in Internierungslager, wo die Politpolizei ihre „Umerziehung” übernahm. Viele ehemalige Priester heirateten indessen und haben Kinder.
Das Regime erklärt stolz, daß „die Mauer zwischen Mohammedanern und Christen abgerissen” wurde. Tatsächlich sind heute gemischte Ehen zwischen Mitgliedern der zwei großen Religionsgemeinschaften, früher vollkommen unvorstellbar, keine Seltenheit mehr.
Die Kulturrevolution wird fortgesetzt, wie kürzlich vom führenden Partei- Ideologen, Ramiz Alia, zu vernehmen war. Er nannte es eine Vorbeugungsmaßnahme gegen Revisionismus. Laut Alia wird der Kampf an der ideologischen Front mit voller
Energie auch in der kommenden Zeit fortgesetzt. Er gab jedoch zu, daß der Kulturkampf auch in Zukunft
„schwierig” und „langdauernd” sein werde. Man sollte sich dennoch vor Prophezeiungen hüten. Denn einerseits verspricht Chefideologe Ramiz Alia die rücksichtslose Fortsetzung der kultur-ideologischen Revolution anderseits macht Tirana Anstrengungen, das Land aus der internationalen Isolierung herauszuführen, wobei auch die innenpolitischen Zügel momentan etwas lockerer gehalten werden.
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