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Albanien verstehen
Österreich unterhält zu Albanien diplomatische Beziehungen. Auch die Handelsbeziehungensind durchaus respektabel. Doch wer versteht dieses europäische Land?
Österreich unterhält zu Albanien diplomatische Beziehungen. Auch die Handelsbeziehungensind durchaus respektabel. Doch wer versteht dieses europäische Land?
Die Beziehungen Österreichs zu Albanien waren lange Zeit in der Öffentlichkeit überhaupt nicht bekannt - und auch heute noch sind viele Menschen erstaunt, davon zu hören. Warum?
Albanien ist das einzige Land der Welt, das in seiner Verfassung fest-
gelegt hat, keinerlei Religion anzuerkennen. Irgendwie genieren sich bis heute auch Leute, die ein sehr indifferentes Verhältnis zur Religion haben, mit einem Land gute Kontakte zu pflegen, das Priester einsperrt, weil sie im geheimen Messe gefeiert oder Kinder getauft haben.
Soweit geht das ungute Gefühl freilich nie, daß sich jemand für den Grund und die Geschichte dieses Verbotes interessieren und untersuchen würde, ob es - wenn auch erschreckend und ungerechtfertigt - doch vielleicht verständlich ist.
Christen allerdings, die sich der Liebe verschrieben haben, scheinen mir berufen dazu, sich sehr wohl damit zu befassen.
Albanien soll schon zur Zeit der Apostel christianisiert worden sein. Zum “Sonderfall" wurde das Land erstmals bei der Teilung des Römischen Reiches. Administrativ verblieb es bei Konstantinopel, kirchlich Unterstand es der Jurisdiktion Roms. Im 15. Jahrhundert war der Norden des Landes überwiegend katholisch, der Süden orthodox, und schließlich islamisierten die Türken vor allem die Küstengebiete, und bis in unsere Tage blieb so das Land dreigeteilt.
Zwischen den Anhängern der drei Glaubensgemeinschaften herrschte oft sogar Feindseligkeit. Kein Moslem heiratete je einen Andersgläubigen, die Orthodoxen unterhielten zudem für das Land bedrohliche Beziehungen zu Griechenland, das sich Albanien immer schon gerne unter den Nagel gerissen hätte, und die 300.000 Katholiken, die man am Ende des Zweiten Weltkrieges noch zählte, waren in ständigem Kontakt mit Rom.
Von Italien aber hatte sich das Land erst 1943 unter ungeheuren Verlusten befreit Was das dreigeteilte Land einte, waren nur die miserable ökonomische Lage und die Sehnsucht nach einem eigenen unabhängigen Staat.
Schon im 19.Jahrhundert hatte sich eine Befreiungsbewegung, die “Rilindja", gebildet, deren Anhänger für die albanische Natipn verbissen kämpften. Ihre Anführer, zum Beispiel die Brüder Frasheri, werden bis heute hochgeehrt Auf sie geht auch die Überzeugung zurück, daß staatliche Unabhängigkeit für das Land nur durch Vermeidung jedweder ausländischer Unterstützung erreichbar sei. Und ohne Kompromisse hat das zähe Volk dann auch um diese Unabhängigkeit gekämpft.
Als 1944 die “Demokratische Regierung“ .die Macht übernahm, wurden Priester, Kirchen und Glaubensgemeinschaften noch toleriert Kaum bekannt sein dürfte zum Beispiel, daß Enver Hodscha noch im März 1945 den Apostolischen Delegaten in Tirana, Leone Nigris, bat, “in seinem Namen den Heiligen Vater zu grüßen und ihm seine Bewunderung für sein menschenfreundliches Werk aviszudrücken“.
Als derselbe Delegat dann am 25. Mai aus Rom zurückkam, ließ ihn
Hodscha allerdings ausweisen und schickte ihn mit dem nächsten Flugzeug nach Rom zurück. Warum, bleibt bis heute ein Geheimnis.
Kein Geheimnis und auch leicht vorstellbar ist, daß den meisten Geistlichen damals die Landente ig- nung und -Verteilung als Aktionen des Antichristen erschienen.
In verschiedenen Prozessen haben sie das deutlich artikuliert. Die Albaner aber fürchteten in ihnen immer mehr eine “heilige Allianz der Konterrevolutionäre“. Die Ostpolitiker des Vatikans schließlich scheinen den Zwergstaat an der Adria nicht ganz so wichtig genommen zu haben. Als man um das Jahr 1962 mit anderen Oststaaten verhandelte anstatt nur zu verdammen, wurden nur mit Albanien keine Gespräche geführt.
Erst im Jahre 1967 hielt Enver Hodscha dann eine Rede über die “allgemeine Vertiefung der Revolution“, die Jugendliche veranlaßte, das Schließen der Kirchen zu verlangen. Auch über den Anlaß zu dieser Aktion ist nie etwas bekanntgeworden.
Besonders im katholischen Norden aber hörte man von üblen Szenen, vor allem immer wieder von einem Geistlichen, der vom Felsen gestürzt worden sein soll, weil er ein Kind getauft habe. Priester mußten jedenfalls wie alle anderen arbeiten gehen.
Als sicher kann man annehmen, daß viele sich gewehrt haben, als ihnen der Gottesdienst untersagt und die Kirchen in Kinos und Sporthallen verwandelt wurden. Mit Geistlichen und Laien ist man brutal umgegangen, viele wurden zu jahrzehntelanger Haft verurteilt. Mangels konkreter Nachrichten werden oft ausgeschmückte Greuelgeschichten aus dieser Zeit noch immer publiziert.
Übersehen wird dabei, daß immer öfter auch andere Nachrichten aus dem Land der Skipetaren ver lauten. Als ich selbst vor einigen Jahren das Landbereiste, durfte ich in einer kleinen Kirche in Berat Künstlern zuschauen, die wunderschöne Fresken religiösen Inhalts von Onufri restaurierten. Ich fragte den zuständigen Mann der Stadtverwaltung, ob denn hier niemand mehr beten wolle? “Aber ja“, meinte er, “da geb ich ihnen halt den Schlüssel.“
So eine Haltung ist vielleicht nicht die Regel, aber bestimmt auch kein Einzelfall. Im April 1986 gestattete Hodschas Nachfolger Ramiz Alia den Bürgern, in der Wohnung wieder religiöse Riten zu vollziehen und in einem Interview im Jahr danach räumte ein Professor der Universität Tirana ein, daß es zwar keine institutionalisierte Religion in Albanien mehr gebe, wohl aber religiöses Bewußtsein. Ende 1988 ist der letzte lebende katholische Bischof, Nikoli Troshani, aus der Gefängnishaft entlassen worden.
Die öffentliche Religionsausübung wird wohl nicht so bald wieder erlaubt werden, wer den Charakter dieses Volkes, die Geschichte des Landes und auch seine in vieler Hinsicht respektablen Leistungen beachtet, der kann schon heute einen Weg finden, mit Tirana auch über Religion ins Gespräch zu kommen.
Es scheint mir der Mühe wert, den Skipetaren behutsam ein Christentum zu präsentieren, das Albanien gar nicht mehr interessiert wäre zu verbieten.
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