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Die Hartnäckigen

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Papst Paul VI. hat vor einiger Zeit die Aufmerksamkeit auf ein Land gelenkt, das seit Jahren Schauplatz der schwersten Religionsunterdrückung unserer Tage ist und das dennoch bei den Christen des Auslandes fast in Vergessenheit zu geraten scheint. Der Papst nannte dieses Land, für dessen Kirche — wie er sagte — nach menschlichem Ermessen nicht mehr die geringste Hoffnung besteht, erstmals in einer öffentlichen Rede beim Namen: Albanien! Wörtlich fügte Paul VL hinzu: *,Wir haben dieses Land nie öffentlich genannt... um zu vermeiden, daß die schon extrem schmerzliche Lage der katholischen und auch der anderen, religiösen Konfessionen nicht womöglich noch mehr verschlechtert wird.“

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Papst Paul VI. hat vor einiger Zeit die Aufmerksamkeit auf ein Land gelenkt, das seit Jahren Schauplatz der schwersten Religionsunterdrückung unserer Tage ist und das dennoch bei den Christen des Auslandes fast in Vergessenheit zu geraten scheint. Der Papst nannte dieses Land, für dessen Kirche — wie er sagte — nach menschlichem Ermessen nicht mehr die geringste Hoffnung besteht, erstmals in einer öffentlichen Rede beim Namen: Albanien! Wörtlich fügte Paul VL hinzu: *,Wir haben dieses Land nie öffentlich genannt... um zu vermeiden, daß die schon extrem schmerzliche Lage der katholischen und auch der anderen, religiösen Konfessionen nicht womöglich noch mehr verschlechtert wird.“

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Im Gegensatz zu den Regimen aller anderen atheistisch regierten Länder, die die Gewährleistung der Religionsfreiheit stets betonen und in ihre Verfassungen entsprechende Bestimmungen aufgenommen haben (sogar in China gibt es offiziell Reste kirchlichen Lebens), hat der prochinesische Balkanstaat Albanien vor den Augen der Weltöffentlichkeit jegliche Religionsausübung „abgeschafft“. Bereits vor fünf Jahren „rühmte“ sich Albanien, der erste „atheistische Staat der Welt“ zu sein. Nach albanischen Presseberichten war damals, im Jahr 1967, nach einer Rede des Parteichefs Enver Hodscha zur „endgültigen Ausrottung der Religion“ eine konzentrierte Kampagne gegen die religiösen Institutionen eingeleitet worden. Damals wurden insgesamt 2168 Kirchen, Moscheen, Klöster und andere religiöse Einrichtungen im ganzen Land zerstört, geschlossen oder in Museen, Jugend-und Kulturzentren umgewandelt. Die Geistlichen wurden in den „produktiven Arbeitsprozeß eingegliedert“. Einige Monate nach dieser Kampagne wurden in Albanien alle Gesetze außer Kraft gesetzt, die bisher das Verhältnis des Staates zu den verschiedenen Religionsgemeinschaften regelten. Damit wollte man klarstellen, daß die religiösen Gemeinschaften in Albanien' ihre institutionelle Existenzberechtigung verloren hatten.

Freilich war sich auch Parteichef Hodscha bewußt, daß mit dieser Kampagne allein die religiöse Tradi-

tion nicht von heute auf morgen verschwinden würde. Auf einem Kongreß der „Demokratischen Front Albaniens“ konstatierte er: „Es ist falsch, anzunehmen, daß in dem Augenblick, in dem Kirchen, Moscheen, Priester und Ikonen verschwunden sind, automatisch auch die Religion und ihr Einfluß auf das Volk geschwunden sind. Der Kampf gegen das Brauchtum, die Tradition, gegen alte Normen und religiöse Gesichtspunkte, die sich natürlich im Laufe der Jahrhunderte tief im Gewissen des Volkes verwurzelt haben, ist noch nicht beendet.“

Wenn auch die Religion selbst nicht durch die Parteiverfügung „ausgerottet“ werden konnte, so war doch die Kirche des Landes, die schon vorher von der Weltkirdhe so gut wie abgeschnitten war, in ein Katakombendasein gedrängt worden. Die wenigen erschütternden Berichte, die später noch über das religiöse Leben in Albanien bekannt wurden, stammten von nach Jugoslawien gelangten Flüchtlingen. Solche Flüchtlinge vertrauten im Jahre 1969 Touristen in der montenegrinischen Stadt Ulcinj an, daß sie den Apostolischen Administrator der Erzdiözese Shkoder (Skutari), Bischof Ernest Coba, wiederholt in den Straßen seiner Bischofsstadt Schubkarren führen gesehen hätten.' Welcher'Tätigkeit der Bischof wirklich nachgehe, um sein Brot zu verdienert, hätten sie nicht feststellen können, es habe sich aber zweifellos um Bauarbeiten, Straßenkehren oder ähnliches gehan-

delt. Die Flüchtlinge erzählten weiter, den Priestern, so sie altersmäßig überhaupt noch zu einer beruflichen Tätigkeit in der Lage waren, sei angeboten worden, als Lehrer Unterricht im marxistisch-leninistischen Sinn zu geben. Da dieses Angebot durchwegs abgelehnt worden war, seien die Priester als Hilfsarbeiter eingesetzt worden. In letzter Zeit sind die Nachrichten über das religiöse Leben in Albanien ganz versiegt. Auch der Verbleib und die derzeitige Tätigkeit Bischof Cobas sind vollkommen unbekannt. „Der Friede des Todes“, wie es der Papst bei seiner Ansprache bezeichnete, scheint wirklich über der Kirche Albaniens zu liegen.

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In Albanien, dem kleinen, kaum eineinhalb Millionen zählenden Adriastaat, bekannten sich vor der „Religionsausrottung“ an die 130.000 Christen zum katholischen Glauben. Die weitaus größte konfessionelle Gruppe des Landes sind die Moslems, die nahezu 70 Prozent der albanischen Bevölkerung ausmachen. Damit ist Albanien das einzige Land Europas, in dem die Mehrzahl der Einwohner Mohammedaner sind. Rund 20 Prozent der Bevölkerung gehören der orthodoxen Kirche an. Die 10 Prozent der Albaner, die sich zum katholischen Glauben bekennen, leben vornehmlich im Norden des Landes. Sie gehören ia-der Mehrzahl dem lateinischen Ritus an, doch gibt es auch Katholiken des orientalischen Ritus.

Die katholische Kirche Albaniens hatte schon wiederholt — insbesondere in der fast 450jährigen Türkenherrschaft — Leidenszeiten durchzumachen. Auch nach der kommunistischen Machtübernahme im Jahr 1945 setzte eine Periode schwerer Verfolgung ein, Damals wurden'italienische Priester und Ordensleute, von denen eine nicht geringe Zahl in Albanien wirkte, hingerichtet oder ausgewiesen. Die Frauenklöster des Landes wurden aufgelöst und die

Schwestern vertrieben. Alle 17 katholischen Schulen, darunter das päpstliche Kolleg in Skutari, wurden beschlagnahmt. Die katholischen Zeitschriften durften nicht mehr erscheinen, die Druckereien der Katholiken wurden enteignet. Zwei Bischöfe, Franz Gjini und Josef Volaj sowie 40 der insgesamt 130 katholischen Priester Albaniens wurden hingerichtet, der Erzbischof von Du-razzo, Vinzenz Prennushi, und 30 Geistliche zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Erzbischof Prennushi ließ im Gefängnis sein Leben.

Das kommunistische Regime strebte mit allen Mitteln eine völlige Isolierung der Religionsgemeinschaften des Landes an. Während Mohammedaner und Orthodoxe von sich aus bereits zu einem früheren Zeitpunkt die völlige Unabhängigkeit ihrer nationalen Religionsgemeinschaften erklärt hatten, war für die katholische Kirche Albaniens eine Trennung von Rom undenkbar. Das Parlament beschloß jedoch im Jahr 1951 ein „Statut der katholischen Kirche“, das die

Verstaatlichung der Kirche und die Abtrennung von Rom aussprach. Dieses Statut sah eine „Nationalkirche“ vor, die keinerlei „organisatorische, wirtschaftliche oder politische Beziehungen“ zum Papst haben durfte. Schließlich wurde 1967, wie bereits erwähnt, eine entschädigungslose Enteigung des Vermögens der Glaubensgemeinschaften ausgesprochen und sämtliche Artikel über freie Religionsausübung aus der Verfassung gestrichen.

Es gibt kaum ein Land der Welt, wo die Gläubigen so verfolgt werden wie in Albanien. Wenn der Papst zuletzt dennoch erklärte, er wolle wider alle Hoffnung für Albanien hoffen, dürfte diese Hoffnung doch eine reale Begründung haben: die jahrhundertelang in schwersten Zeiten bewiesene Treue der albanischen Bevölkerung zum Glauben. Heute gibt es allerdings dafür mw indirekte Zeugnisse — nämlich die Klagen der Parteipresse über-einen „hartnäckigen Widerstand im Volk gegen die Ausrottung der Religion“.

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