7072532-1993_06_12.jpg
Digital In Arbeit

Papstbesuch bei neuen Bischöfen

19451960198020002020

Ende April will Papst Johannes Paul II. Albanien besuchen, das sich 1967 zum „ersten atheistischen Land der Welt” proklamiert und Kirche und Gläubige brutal verfolgt hatte. Kürzlich wurden zum ersten Mal seit fast 50 Jahren vier neue Bischöfe für den Balkanstaat ernannt.

19451960198020002020

Ende April will Papst Johannes Paul II. Albanien besuchen, das sich 1967 zum „ersten atheistischen Land der Welt” proklamiert und Kirche und Gläubige brutal verfolgt hatte. Kürzlich wurden zum ersten Mal seit fast 50 Jahren vier neue Bischöfe für den Balkanstaat ernannt.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Wiederherstellung der hierarchischen Struktur der katholischen Kirche in Albanien zieht einen endgültigen Schlußstrich unter die systematischste Religionsverfolgung, die es in der kommunistischen Welt gegeben hat.

Von den insgesamt fünf Diözesen wurden nur die beiden kleinen Bistümer Lezhe und Sape aus Personalmangel vorläufig nicht wiederbesetzt. Den rund 300.000 Katholiken stehen nach offiziellen Angaben nur vierzig Priester zur Verfügung. Im Land der Skipetaren sind 70 Prozent der Bevölkerung Moslems und 20 Prozent orthodoxe Christen.

In keinem anderen Staat ist der Kampf ums nackte Überleben gepaart mit einer solchen Hinwendung zur Religion. Man sucht im Angesicht von politischem Chaos und wirtschaftlichem Ruin nach Trost. Die Hoxha-Diktatur hat nicht nur das wunderbare Land am Mittelmeer zum Armenhaus Europas gemacht, sie hat dessen würdevolle Bewohner in ein eisernes Joch gespannt und gedemütigt. Nur langsam hält der Kapitalismus Einzug. Die Industrie ist mangels Rohstoffen fast lahmgelegt, so beträgt die Arbeitslosigkeit über 40 Prozent.

Es sind schließlich nicht nur die unzähligen verarmten und bettelnden Jugendlichen rund um das einzige internationale Hotel, die das Albanienbild des westlichen Reisenden bereits bei seiner Ankunft in Tirana prägen. Schon am Flughafengebäude empfängt ihn ein Geruch aus verpesteter Luft, altem Öl und nassem Ruß. Dieser Geruch der Armut begleitet den Besucher durch ganz Tirana. Der Anblick der umliegenden Dörfer entlang der Strecke vom Flughafen ins Zentrum der Hauptstadt tut ein übriges. In Tirana, wo Hühner und Rinder in öffentlichen Parks keine Seltenheit sind, gibt es nur einige Stunden am Tag fließendes Wasser. Geheizte Wohnungen sind selten, Stromunterbrechungen von mehreren Stunden im Hotel die Regel. Das Lager der Caritas muß Tag und Nacht von Bewaffneten bewacht werden, um Plünderungen zu vermeiden. Vielerorts sind Konvois der italienischen Militärs beladen mit Hilfsgütern zu sehen.

Religiöser Aufbruch

Dennoch schlägt dem Besucher die religiöse Aufbruchsstimmung entgegen. Im Gegensatz zu anderen kommunistischen Staaten, wo sich Vereinigungen staatstreuer Priester oder Laien gebildet hatten, hat in Albanien kaum ein Priester dem Druck des Regimes nachgegeben. Der 74j ährige Gemeindepfarrer Franz Illia, der jetzt zum Erzbischof von Shkoder (Scuta-ri) ernannt wurde, war 1967 verhaftet und ein Jahr später wegen „Spionage für den Vatikan” zum Tode verurteilt worden. Das Urteil wurde dann in eine 25jährige Gefängnisstrafe mit verschärfter Zwangsarbeit umgewandelt. Während dieser Zeit leistete er heimlich Seelsorge unter seinen Mitgefangenen.

Auch die anderen neuen Oberhirten waren - mit Ausnahme von Erzbischof Mirdita, der zuletzt als Seelsorger für die Auslands-Albaner in New York wirkte - unter der Diktatur lange Zeit inhaftiert. Trotzdem hat das Volk in dieser fürchterlichen Situation den christlichen Glauben bewahrt. Manchmal bestand die einzige Art und Weise, den Glauben zu leben, darin, das Kreuzzeichen zu machen, einige Gebete zu sprechen und das den Kindern beizubringen.

Großer Zustrom

Der albanische Staatspräsident Sali Berisha, der aus einer moslemischen Familie stammt, hat nach seiner Wahl allen Religionsgemeinschaften den ihnen gebührenden Platz im öffentlichen Leben zurückgegeben. In Shko-dra, der Hochburg der katholischen Minderheit, gehen die Menschen wieder offiziell in die Kirche. Neben der Pfarrkirche steht den Gläubigen noch eine alte Turnhalle zur Verfügung.

Der Zustrom zum Katholizismus ist derart groß, daß man leicht den Fehler machen könnte, nun alle auf Anhieb zu taufen. Schließlich wurden Katechumenatskurse eingeführt. Kinder unter sechs Jahren werden zusammen mit den Eltern getauft; bis 14 Jahre ist ein Minimum von mindestens drei, ab 14 Jahren von sechs Monaten katholische Glaubenslehre vorgeschrieben.

Wie der Franziskaner Padre Zep (Josef) von der Antoniuskirche mitteilte, hat er allein im letzten Jahr schon über 1.000 Menschen unterrichtet und getauft. Neben dem Gotteshaus wurde im Herbst das neue Priesterseminar eröffnet. Für den ersten Jahrgang haben sich 53 Kandidaten gemeldet. Die Professoren sind hauptsächlich ausländische Missionare des Jesuitenordens. „Ich lebe, um die Jugend zu erziehen”, sagt ein 25j ähriger Seminarist. „Und wenn ich keine Kraft mehr habe, dann will ich sterben.” Seiner Meinung nach habe man in Albanien eine bessere Ausgangsposition als in den anderen ehemaligen kommunistischen Diktaturen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung