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Österreich in Europa (II)

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‘ Ich habe im ersten Artikel versucht, die mir am wichtigsten erscheinenden Maximen unserer Außenpolitik meinen weiteren Darlegungen vorauszuschicken.

Diese Maximen entspringen zwar richtigen Überlegungen, sie müssen aber, um nicht im luftleeren Raum hängenzubleiben, auch noch mit der politischen Realität, in der wir leben, konfrontiert werden. Österreich ist keine weltabgewandte Insel. Wir sind ständig mit politischen Fakten konfrontiert, die außerhalb von uns entstehen, deren Existenz wir nicht verhindern, deren Entwicklung wir nicht beeinflussen können. Ein solches Faktum ist die europäische Integration. Auch als neutrales Land muß unsere Außenpolitik imstande sein, diese Konfrontation mit der europäischen Wirklichkeit zu ertragen.

Es ist schwer, heute eine klare Antwort auf die Frage zu geben, wie dieses Europa von morgen strukturiert sein soll.

Zwei Europabilder

Noch vergeblich suchen wir nach einer politischen Formel, in der sich der gemeinsame europäische Wille manifestiert. Keine klare Antwort gibt es auch auf die Frage, ob es eine gemeinsame europäische Doktrin gibt. Wir sind mit der Tatsache konfrontiert, daß es heute zwei diametral entgegengesetzte Europabilder gibt. Das „Europa der Vaterländer” de Gaulles, das Europa als eine unabhängige dritte Kraft sieht, geeint in Form einer Allianz, bei der die Zusammenarbeit der europäischen Staaten durch regelmäßige Treffen der europäischen Staatsund Regierungschefs gewährleistet sein soll, deren Beschlüsse einstimmig zu treffen sind und dessen parlamentarische Organe lediglich das Recht haben sollen, diesem Rat der Exekutive Empfehlungen vorzulegen, nicht aber politische Entscheidungen. Es ist ein Europa, das zukunftsweisend konzipiert ist, vom Atlantik bis an den Ural, von dem aber Großbritannien als ein, wie der General es bezeichnet, auf das Meer ausgerichteter Inselstaat mit eigenen Gewohnheiten und Traditionen und durch seine Verbundenheit mit weit entlegenen Ländern von den kontinental europäischen Staaten abgeschaltet ist.

Demgegenüber steht jenes Europabild, das der General in einer Pressekonferenz im Jahre 1962 als ein Europa der „Mythen und Fiktionen” bezeichnet hat: Ein Europa nämlich, das kulturell, politisch und wirtschaftlich ein hohes Maß an Integration erreicht hat, ein Europa, bei dem die einzelnen Staaten auf wichtige souveräne Rechte zugunsten einer übernationalen Behörde verzichtet hatten, ein Europa, das ein die Völker dieser Vereinigten Staaten bindendes Parlament kennt.

Mit dem 14. Jänner 1962, jene berühmte Pressekonferenz, auf der General de Gaulle den Abbruch der Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EWG angekündigt hat, ist eine für die nächsten Jahre bedeutsame Grundsatzentscheidung gefallen. Der französische Staatspräsident machte an diesem Tag den Europäern und den Amerikanern bewußt, daß seiner Auffassung nach, die Epoche amerikanischer Vormundschaft über Europa, die 1945 begann, ihr Ende gefunden hat und daß Großbritannien nicht damit rechnen dürfte, von Frankreich als besonderes angelsächsisches Bindeglied in einer größeren, konzipierten atlantischen Gemeinschaft anerkannt zu werden. Am 4. Juli des gleichen Jahres versuchte der verstorbene Präsident der Vereinigten Staaten die Europäer durch das Angebot und die Bereitschaft der amerikanischen Regierung zur Bildung einer atlantischen Partnerschaft und zu einer Erklärung der gegenseitigen Abhängigkeit eines vereinigten Europas und der USA mit dem Gedanken des Näherrückens der Europäer an dieser großräumig konzipiert-atlan- tischen Allianz einen neuen Impuls zu geben.

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