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Die Vier von 1960
In der Tat war es in dieser Viererbesprechung der französische Staatschef gewesen, der die härteste Haltung gezeigt hatte. So hatte de Gaulle nach den Aufzeichnungen Adenauers erklärt: „Wollte man eine Entspannung, wollte man mit der Sowjetunion Vereinbarungen darüber abschließen, dann müsse man in der Frage Berlin /estbleiben.“ Adenauer selbst hatte dem amerikanischen Präsidenten erklärt: „Wenn Präsident Eisenhower die Frage aufwerfe, was denn aus Berlin werden würde, falls später Chruschtschow wieder irgendeine Attacke mache, so möchte ich ihm darauf erwidern, daß ein Verlassen der Rechtsgrundlage von Berlin durch die westlichen Mächte eine Flucht aus Berlin herbeiführen würde, während die dort lebenden Menschen bisher eben fest auf die Westmächte vertraut hätten.“
De Gaulle ist in diesem Gespräch dem früheren Bundeskanzler rückhaltslos zur Seite getreten. Er sagte: „Für ihn als Vertreter Frankreichs sei es unmöglioh, zuzustimmen, daß den Russen ein weiteres Vordringen nach Westen auf diese Weise ermöglicht würde.“ De Gaulle versprach überdies, bei seiner nächsten Begegnung dem Herrn des Kreml, Chruschtschow, zu sagen — so hat es Adenauer wörtlich aufgezeichnet —, „daß Frankreich für die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit sei und daß er, de Gaulle, unbedingt darauf bestehe, daß der Rechtsstatus von Berlin gewahrt bleibe“.
Dieses Gespräch zwischen Eisenhower, dem britischen Premier Mac-Millan, de Gaulle und Adenauer fand Ende 1959 statt. Keine zwei Jahre später errichtete Walter Ulbricht im Einverständnis mit Chruschtschow die Mauer in Berlin und trennte damit endgültig Deutschland in zwei Hälften. Im August 1961 erwies sich, wie genau Adenauer, wie genau aber auch de Gaulle die Sowjets und deren Politik durchschaut gehabt hatten.
Die Vorausschau der zwei Staatsmänner war durch den Mauerbau in dramatischer und bedrückender Weise bestätigt worden, als sie sich im Dezember 1961 erneut trafen. Sie konnten infolgedessen nur bekräftigen, daß sie ihren entschiedenen Kurs gegenüber Moskau trotz aller Bemühungen um Entspannung fortsetzen wollten — und sie bekräftigten dies in der Tat nachdrücklich und mit sehr ernsten Überlegungen. Dies die Vorausschau de Gaulles — und dies die Schlußfolgerung, die der General nach Adenauers „Erinnerungen“ daraus zog: „Sei Deutschland aber einmal de jure oder de facto als Ergebnis langer oder immer wieder erneuter Verhandlungen mit der Sowjetunion neutralisiert, dann glaube er, daß seinerseits auch Frankreich keine andere Wahl mehr hätte, als sich neutralisieren zu lassen. Dann aber wäre das Spiel für den Westen verloren.“
Was damals galt, das gilt noch heute. Bei genauer Betrachtung hat sich die sowjetrussische Politik in nichts verändert De Gaulle wird daher heute keine anderen Konsequenzen ziehen können als vor sieben Jahren. Es gibt denn auch keine Anzeichen dafür, daß sich diese seine Grundanschauung seither geändert hätte.
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