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Psychologie

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„Was unsere Epoche kennzeichnet, ist das Fehlen jeglicher Gewißheit“, schreibt da ein Autor: „Wie viele eingeführte Bräuche, wie vieles, das man vorausgesehen zu haben glaubt, wie viele Doktrinen wurden nicht Lügen gestraft, und wer kann zählen, was alles an Prüfungen, Verlusten, Enttäuschungen, dazu an Skandalen, an Schicksalsschlägen und Unvorhergesehenem die bestehende Ordnung erschüttert hat.“

Besonders beklagt wird vom Autor, daß das Selbstbewußtsein des Berufssoldaten verstört werde, daß sich eine Art von Mystik ausbreite, die den Krieg nicht nur verfluche, sondern ihn überhaupt „für eine verjährte Sache“ erkläre. Der heilige Eifer könne auf Exorzismus nicht verzichten, meint der Schreiber des Buches, der es auch irgendwie verständlich findet, daß „das Soldatische überhaupt in der Wurzel angegriffen wird“. In Bewegungen dieser Art vergegenwärtige sich nämlich der „ Selbsterhaltungstrieb eines Europa, das seine Schwäche fühlt und alle Risiken eines neuen Konfliktes im Gespür hat“.

Der Autor heißt übrigens Charles de Gaulle und der Titel des Buches ist „Die Schneide des Schwertes“; geschrieben wurde es 1932...

De Gaulle war damals Lehrbeauftragter an der Offiziersschule Saint-Cyr und Mitarbeiter des von ihm bewunderten Marschalls P'etain. So fremd manches klingt, was er da in seiner militärwissenschaftlichen Schrift schreibt, so verstörend vertraut wirkt die Schilderung der Friedensbegeisterung.

Der Soldat de Gaulle relativiert natürlich diese Friedenseuphorie. Er zitiert den Kardinal de Retz: „Die Gesetze, die sich der Waffen begeben haben, verfallen der Nichtachtung.“ Und er kennt die Psychologie der Menschen: „Niemandem sollen seine Hoffnungen weggeredet werden - aber wo in aller Welt ist denn bisher in Erscheinung getreten, daß die Stimmen der Leidenschaft und der Interessen, aus denen die bewaffneten Konflikte hervorgehen, leiser geworden sind, daß jemand freiwillig auf das Verzicht leistet, was er hat und wonach ihm sein Wunsch steht, mit einem Wort, daß die Menschen aufhören, Menschen zu sein?“

Man soll die Parallelen nicht zu weit treiben. De Gaulle verfaßte seine Schrift sieben Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkrieges. Er glaubte noch daran, daß der Ruhm eine angemessene Vergeltung für Blut und Tränen sei. Das klingt alles recht antiquiert nach dem Massenschlachten dieses Krieges und dem Abwurf der ersten Atombombe.

Aber die Psychologie der Menschen - hat sich die wirklich geändert?

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