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Brutus ist ein ehrenwerter Mann

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Ehe der vierte deutsche Bundestag in seine ersten Sommerferien ging, kam es zu einer Auseinandersetzung, die aller Wahrscheinlichkeit nach einem der profiliertesten Politiker Bonns, BundesveTteidigungsminister Franz Joseph Strauß, die Karriere kosten wird. Das heißt nicht, daß mit einem Rücktritt des Verteidigungsministers zu rechnen ist, sondern das heißt, daß er in Zukunft nur noch Verteidigungsminister sein wird. Wenn nicht alle Zeichen trügen, ist Strauß in der letzten Woche wenigstens für die nächsten Jahre zum „unentbehrlichen“ Fachminister geworden, der keine Aussicht mehr hat, in das Ringen um die Nachfolge Adenauers einzugreifen. In erster Linie hat das Strauß seiner, eigenen Ungeschicklichkeit zuzuschreiben.

Nach den letzten Bundestagswahlen 1961 schien Strauß nahe vor dem Ziel zu stehen, der mächtigste Mann in Bonn zu sein. Seine Partei, die CSU, deren Vorsitzender er ist, war ohne Stimmenverluste aus der Wahl hervorgegangen und schien dazu vorgesehen, bei der Bestimmung des künftigen Bundeskanzlers ein gewichtiges Wort mitsprechen zu können. Zusammen mit der FDP versuchte Strauß, Konrad Adenauer aus dem Sattel zu heben und mit Ludwig Erhard als Bundeskanzler ein neues Kabinett zu bilden. Sein erster schwerer Fehler war, daß er dieses Konzept noch in der Wahlnacht im Fernsehen verkündete. Strauß mußte erleben, daß seine eigene Partei, die er als geschlossene Kraft hatte einsetzen wollen, ihn im Stich ließ. Es gelang Adenauer, Strauß zu uberspielen. Strauß war damit vom Liebling Adenauers zu seinem Gegner geworden. Eine Auseinandersetzung zwischen beiden schien auf die Dauer unvermeidlich. Es wird wohl dazu auch nicht mehr kommen.

Am 1. Februar 1962 erschien im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ ein Artikel, in dem Strauß vorgeworfen wurde, dem amerikanischen Verteidigungsministerium eine Schwindelfirma, die sogenannte FIBAG, empfohlen zu haben. Diese Firma hatte sich angeboten, im Auftrag der Amerikaner Wohnungen für die Angehörigen der amerikanischen Armee zu erstellen. Sie bestand bei ihrer Gründung am 13. April 1960 aus dem Architekten Lothar Schloss, dem Bauingenieur Karl Willy Braun und dem Passauer Zeitungsverleger Hans Kapfinger. Weder war Schloss ausgebildeter Architekt, noch Karl Willy Braun Ingenieur. Zu der Zeit, als Strauß sie nach Amerika empfahl, konnte von einer Aktiengesellschaft keine Rede mehr sein. Das ganze Projekt scheiterte an der von Präsident Eisenhowet verfügten Rückberufung der amerikanischen Armeeangehörigen au; Deutschland. Von dem vorgesehener Aktienkapital sollte Kapfinger ohne Einzahlung 25 Prozent erhalten. Ei sollte dafür seine politischen Bezie hungen, seine Freundschaft mit Strauß, einsetzen. Schloss und Braun sagten übereinstimmend unter Eid aus (und diese Erklärungen wurden im „Spiegel“ veröffentlicht), Kapfinger habe nach Vertragsabschluß bedauert, seinen Anteil mit Bundesverteidigungsminister Strauß teilen zu müssen.

In einstweiligen Verfügungen und einigen Prozessen, die noch schweben.

versuchte Strauß gegen den „Spiegel“ vorzugehen. Hierbei erwiesen sich die vom „Spiegel“ veröffentlichten Aktenstücke, darunter das Empfehlungsschreiben an den amerikanischen Verteidigungsminister, das Strauß im Durchschlag an Kapfinger geschickt hatte, als echt. Umstritten blieb die Äußerung von Kapfinger, der sie erst in einer eidesstattlichen Erklärung abstritt, um zu einem späteren Zeirpunkt seine Erklärung etwas zu modifizieren. Gegen Kapfinger, der vor einigen Monaten eine Gefängnisstrafe von 4 Monaten wegen Sittlichkeitsdelikten erhielt, schweben inzwischen eine ganze Reihe von Verfahren, darunter auch eines wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Erklärung. Die „Frankfurter Allgemeine“ schrieb zu diesen Vorgängen: „Ein Minister, der einen solchen Brief (wie den oben angeführten Empfehlungsbrief an den US-Verteidigungsminister) aus seinem Haus hinausgehen läßt, scheint einen wesentlichen Unterschied zwischen Deutschland und dem Balkan aus dem Auge verloren zu haben.“ Auffallenderweise konnte sich der als sehr prozeßfreudig bekannte Verteidigungsminister nicht dazu entschließen, gegen Kapfinger vorzugehen, dessen eigentümliches Benehmen ihn in einer immer weitere Kreise ziehenden Skandal gezogen hatte.

Obwohl die FIBAG-Affäre beträcht-■ichen Staub aufwirbelte, wurde wedei vom Kabinett, wie etwa im Fall Oberländer, noch von der CDU eine Erklärung abgegeben. Der Eindruck, daf man Strauß die Sache allein ausfechter lassen wollte, wurde am 13. Mär: noch durch die Mitteilung verstärkt Bundeskanzler Adenauer habe der Ministerialdirektor a. D. Petz dami beauftragt, eine Aktensammlung übei die FIBAG-Affäre anzulegen. An 21. März wurde schließlich auf Antrag des SPD ein parlamentarische! Untersuchungsausschuß des Bundestages gebildet, dessen Vorsitz dei CDU-Abgeordnete Hoogen übernahm

Dieser Ausschuß, um dessen Abschlußbericht es am 28. Juni zu dei eingangs geschilderten Auseinander Setzung im Bundestag kam, sollti folgende Fragen untersuchen:

1. ob Minister Strauß bei der Ober finanzdirektion München den söge nannten Architekten Schloss fü öffentliche Aufträge empfohlen hat obwohl Schloss' fachliche Eignung al zweifelhaft erscheinen konnte;

2. ob Strauß ohne sachgerecht Prüfung und ohne zuständig zu sein die Vorschläge einer privaten Interessengruppe, eben der FIBAG, für die Errichtung von Wohnungen für amerikanische Streitkräfte in der Bundesrepublik gegenüber dem amerikanischen Verteidigungsminister unterstützt hat.

Der Ausschuß erweckte von Anfang an nicht den Eindruck, als ob es ihm darum ging, in die letzten Hintergründe der Affäre zu leuchten. Die Äußerung von Kapfinger blieb weiter umstritten. Was sonst herauskam, war für die Amtsführung des Bundesverteidigungsministers nicht gerade rühmlich. Das einzig wirklich Neue war die Behauptung des Bundesver-teidigungsministers, die bedenklich an „Freunderlwirtschaft“ erinnernden Zustände in seinem Ministerium seien völlig korrekt und in Ordnung.

Ein paar Begleitumstände freilich erregten wachsendes Unbehagen und verstärkten das Zwielicht um den Verteidigungsminister. Der Zeuge Braun sagte aus, es seien ihm vom Rechtsanwalt des Bundesverteidigungsministers, Cramer, 10.000 DM geboten worden, wenn er dem „Spiegel“ die Weiterverwendung seiner eidesstattlichen Erklärung untersage und zu Gunsten von Strauß und Kapfinger aussage. Diese Erklärung veranlaßt« weder den Ausschuß, dieser massiven Zeugenbeeinflussung nachzugehen, noch Rechtsanwalt Cramer, irgendeine Stellungnahme abzugeben. Dieselbe Summe angeboten erhalten zu haben, behauptete ein anderer Zeuge, Herrschaft, der aussagte, Schloss und Braun hätten ihm von der umstrittenen Äußerung Kapfimgers unmittelbar nach dem 13. April 1960 erzählt. Er erklärte weiterhin, man habe ihm mit Verhaftung wegen angeblicher Ostkontakte gedroht, wenn er bei seiner Aussage bliebe. Tatsächlich wurde Herrschaft unmittelbar nach seiner Rückkehr nach München wegen dieses Deliktes verhaftet und nach wenigen Wochen wieder freigelassen. Seine Behauptung, man habe ihn während seiner Haft dazu überreden wollen, eine Ehrenerklärung für Strauß zu unterschreiben, wurde am 29. Juni 1962 in einer amtlichen Verlautbarung der Justizpressestelle des bayrischen Justizministeriums dahingehend erläutert, es sei vom Staatsanwalt deswegen kein Druck auf Herrschaft ausgeübt worden.

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